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In der Analyse differenzieren – in der Praxis assoziieren

Thesen gegen den Vorwurf der “Transexklusivität” an unsere Gruppe

Banner der von uns unterstützten feministischen Kampftags-Demo 2017

Im Jahr 2017 sowie im diesem Jahr haben wir uns als Gruppe the future is unwritten an feministischen Aktionen rund um den 8. März beteiligt. Im vorvergangenen Jahr organisierten wir als Teil des Leipziger Feministischen Kampftagsbündnisses (FKT) die Demo „No Rollback! Hollaback! Fight Back! – Feministische Kämpfe in die Offensive“. Anstatt eine Demonstration zu planen, wollten wir im Jahr 2018 Feminist*innen einen Raum für Empowerment, Vernetzung, kollektive Organisation und Theoriearbeit bieten. Die Reihe „Querschnitt Feminismus“ entstand. Wie immer, wenn man sich politisch positioniert, bleibt Kritik nicht aus. Das ist gut. Wir freuen uns über Diskussionen und konstruktive Kritiken unserer Aktionen. In den letzten Jahren ist es häufig zu beobachten, dass feministischen Gruppen und Aktionen über soziale Netzwerke zum Vorwurf gemacht wird, „terfs“ (trans-exclusionary radical feminists) zu sein. Sowohl unsere Demonstration als auch die „Querschnitt Feminismus“-Reihe riefen derlei Reaktionen hervor. Der Vorwurf, trans-Personen aus unseren Kämpfen auszuschließen oder in unseren Kämpfen nicht zu beachten, ist ein schwerer. Wir nehmen ihn ernst und wollen im Folgenden darauf antworten.

1. Es ist wichtig, Transexklusion und Transphobie voneinander zu unterscheiden; es sind verschiedene Phänomene, die separat im Hinblick auf die jeweilige Praxis reflektiert werden müssen.

1.a) Transphobie existiert in feministischen Kämpfen, hat sich aber im FKT-Bündnis, insofern wir darin Einblick hatten, nicht gezeigt. Transphobie meint (über den wörtlichen Sinn hinaus) in der Regel nicht Angst vor trans-Personen, sondern Abneigung gegen oder Hass auf sie. Abneigung gegen trans-Personen ist in feministischen Kämpfen etwa unter Verweis auf folgende Argumente zu finden:

  • trans-Personen würden helfen, binäre Geschlechterkategorien aufrechtzuerhalten und zu verstärken
  • trans-Frauen seien Männer, die weibliche und feministische Identifikation, Kultur, Politik und Sexualität „kolonialisierten“
  • trans-Frauen würden sich ihrer Männlichkeit entledigen, um diese nicht mehr reflektieren zu müssen

Eine solche Argumentation hat sich weder in unseren theoretischen Analysen noch in unserer politischen Praxis ausgedrückt.

1.b) Transexklusion ist ebenfalls existent in feministischen Kämpfen – auch in Kreisen, die nicht explizit transphob sind und nicht transexklusiv sein wollen. Das hat vor allem strukturelle Gründe.

Viele feministische Gruppen bestehen überwiegend aus cis-Frauen; trans-Personen sind dagegen kaum vertreten. Es ist eine sinnvolle politische Praxis, für die eigene Befreiung und Selbstbestimmung einzutreten sowie für die Befreiung und Selbstbestimmung aller – auch wenn manche Menschen von anderen Diskriminierungsformen betroffen sind. Unserer Meinung nach ist es möglich, sich solidarisch mit betroffenen Gruppen zu zeigen, auch wenn diese Solidarität nicht aus individueller Erfahrung rührt. So finden sich beispielsweise oft cis-Männer in feministischen Gruppen, die gemeinsam mit Frauen* gegen den sexistischen Normalzustand kämpfen.

Dass viele feministische Gruppen aus cis-Frauen bestehen und diese zunächst aus eigener Perspektive begreifen und handeln, ist oft mit strukturellen Ausschlüssen verbunden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Gegenstand der Betrachtung mit dem analysierenden Subjekt verändert. Die politischen Forderungen, welche Frauen* aus der umfassenden Analyse des Geschlechterverhältnisses ziehen, müssten nicht abweichen von jenen, welche sich für trans-Personen ergeben. Tatsächlich lässt sich in der politischen Praxis aber feststellen, dass genau diese Forderungen doch verschieden ausfallen, was wir als Folge der unterschiedlichen individuell-konkreten (Leidens-)Erfahrungen bewerten. Entsprechend halten wir eine feministische Praxis für sinnvoll, in der sich über diese Erfahrungen ausgetauscht werden kann, um eine Assoziation hinsichtlich einer gemeinsamen feministischen Politik zu ermöglichen.

Versuche der aktiven Integration diverser politischer Gruppen, die unseren feministischen Anspruch teilen, in das FKT-Bündnis 2017 und in die Organisation der „Querschnitt-Feminismus“-Reihe haben stattgefunden. Bewusst haben wir aber von einer Quotenpolitik verschiedener Identitäten abgesehen, da die jeweilige Betroffenheit oder Identität zwar ein Motiv sein kann, aber nicht die Voraussetzung einer Analyse patriarchaler Strukturen sein muss.

2. Die Kritik an unserer Praxis entlädt sich vor allem auf der Symbolebene – wichtig ist uns eine Diskussion über die damit zusammenhängenden Inhalte.

Die Kritik, die sich an das FKT-Bündnis 2017 richtete, bezog sich auf die verwendete Symbolik. Mit einer Symbolik, die sich an biologisch weiblichen Körpern orientiert, wollen wir den phallozentrischen Bildern dieser Gesellschaft entgegentreten und Unsichtbares sichtbar machen. Hierzu gehören, selbstverständlich nicht ausschließlich, Bilder von Vulven und Tampons (wobei wir diese nie mit Frau*sein gleichsetzten). Dennoch wollen wir nicht auf einer Symbolebene verbleiben und auch nicht darauf reduziert werden, sondern an unseren inhaltlichen Positionen in Aufrufen, Beiträgen und anderem gemessen werden. Ausschließlich die Art und Weise der bildlichen Darstellung von Geschlechtsorganen in irgendwelchen Veröffentlichungen von uns zu suchen und zu kritisieren, sehen wir nicht als geeignete Grundlage einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Viel wichtiger ist es uns, eine kritische Gesellschaftsanalyse zu betreiben, über deren Richtigkeit sich wild gestritten werden kann.

3. Die Benennung von Frauen* sowie die Thematisierung von Gebärmüttern, Vulven und Menstruation ist ein wichtiger – wenn auch nicht der einzige – Bestandteil feministischer Praxis.

In unseren Kämpfen haben wir das Ziel, das soziale Konstrukt der binären Geschlechter abzuschaffen. Diese Unterteilung der Menschen ist notwendig für eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern. Unter Feminismus verstehen wir den Kampf gegen die alltäglichen Beschädigungen, die wir durch die Konstruktion von Geschlecht erfahren. Historisch ist darunter vor allem die Ermächtigung vieler Frauen* zum politischen Subjekt zu verstehen. Deshalb wollen wir in unserer konkreten Praxis auch konkrete Diskriminierungen als gesellschaftliche Realität benennen. Um verändernd in die Welt eingreifen zu können, ist es notwendig, die Verhältnisse zu verstehen. Für einen emanzipatorischen Kampf ist also das sprachliche (Be-)Greifen dieser Verhältnisse und somit das bewusste Sprechen von „Mann“ und „Frau“ unvermeidlich.

Bei der „Querschnitt Feminismus“-Reihe stieß diese Bezeichnung einiger Workshop-Zielgruppen auf Entrüstung: „Es sind diejenigen eingeladen, die in Vergangenheit und/oder Gegenwart die gesellschaftliche Erfahrung einer Frau gemacht haben.“ Facebook-Kommentatorinnen und Mailschreiberinnen warfen uns vor, trans-Frauen aktiv aus unseren Workshops ausschließen zu wollen. Missachtet wird dabei allerdings, dass wir nicht von der individuellen Geschlechterwahl sprachen, sondern von einer gesellschaftlichen, zwangsweise durchgeführten Geschlechtseinteilung, die Realität ist. Alle Menschen, die in ihrem Leben als Frau behandelt wurden, und somit diese Erfahrung teil(t)en, waren zu diesen Workshops eingeladen. Die Problematik des Labelings „women only“ verweist damit auf einen real vorhandenen Widerspruch, der sich durch reine Sprachpolitik nicht lösen lässt. Bezüglich der Begriffe „Frau“ und „Frau*“ sind wir uns der dialektischen Problematik der Verwendung des Sternchens bewusst. Wir sehen einerseits die Gefahr, in dieser Unterscheidung die Natürlichkeit von Frausein zu reproduzieren und zu festigen. Andererseits sehen wir es als notwendig an, auf die gesellschaftliche Realität zu verweisen, um diese bekämpfen und abschaffen zu können. In der Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität sehen wir unser politisches Kampffeld. Materialistischer Feminismus will den Körper wieder mitdenken und muss sich heute fragen, wie ein positiver, kämpferischer Bezug auf die Kategorie Frau aussehen kann, der sowohl die Psychoanalyse als auch die Kritik der politischen Ökonomie zum Bezugspunkt haben kann und die Absicht verfolgt, jenes Leiden aufzuheben, welches die gesellschaftlichen Verhältnisse verursachen. Mit „Querschnitt Feminismus“ wollten wir u. a. Menschen, die die gesellschaftliche Erfahrung einer Frau gemacht haben/machen, die Gelegenheit bieten, sich mit Theorien und Praktiken zu beschäftigen, die als männlich dominiert gelten.

Dem FKT-Bündnis 2017 wurde vorgeworfen, Vulven oder Menstruation zu thematisieren. Darauf möchten wir entgegnen: Menschen mit Gebärmüttern leiden in spezieller Weise unter dem Patriarchat, beispielsweise durch repressive Abtreibungsgesetze oder der Tabuisierung ihrer Menstruation. Dieser spezifischen Unterdrückung sind cis-Frauen und trans-Männer ganz real unterworfen. Wir halten es für einen falschen Schritt, Reproduktion und Menstruation aus feministischen Kämpfen auszuklammern, bloß weil nicht alle Frauen* davon gleichermaßen betroffen sind. Hierbei geht es nicht darum, etwa Weiblichkeit oder das Frausein mit Gebärmüttern und Vulven gleichzusetzen. Es geht darum, Diskriminierungsformen zu kritisieren, von denen sehr viele Frauen betroffen sind. Dadurch, dass in den Veranstaltungen des FKT-Bündnisses an anderer Stelle wiederum andere Aspekte wie Transphobie, Ableism oder Rassismus in ihrer Spezifik thematisiert wurden, konnte ein Gesamtbild problematischer Geschlechter- und Herrschaftsverhältnisse und deren verschiedener Angriffspunkte entstehen.

4. Da in dieser Gesellschaft eine Vielzahl von Unterdrückungsformen zusammenwirken, sollten wir differenziert analysieren, jedoch gemeinsam kämpfen, anstatt Kämpfe gegeneinander auszuspielen.

Es ist schwierig, Erfahrungen mit Diskriminierungen nachzuempfinden, welche man nicht selbst gemacht hat. Dennoch widersprechen wir der These, dass Empathie unmöglich sei. Genauso wie es cis-weiblichen Feministinnen schwer fallen wird, vollumfänglich nachzuempfinden, wie es ist, als trans-Person tagtäglicher Diskriminierung und Angriffen ausgesetzt zu sein, kann es manchen trans-Frauen schwer fallen zu verstehen, wie es ist, als Frau sozialisiert worden oder dem staatlichen Zugriff auf die eigene Gebärmutter ausgesetzt zu sein. Seit langem wird ein Feminismus kritisiert, dem es nur um reproduktive Rechte und die Einkommensspanne zwischen cis-Frauen und cis-Männern geht. Dieser wird als „white feminism“ gelabelt. Diese Kritik ist insofern berechtigt, als schwarze Frauen* neben der Unterdrückung, die auch weiße Frauen* erfahren, weiteren Diskriminierungsformen ausgesetzt sind und diese in der Agenda weißer Feminist*innen oft nicht thematisiert werden. Diese Kritik wird aber dahingehend erweitert, dass jede Thematisierung etwa von reproduktiven Rechten, und der damit in Zusammenhang stehenden Symbolik, als „transexkludierend“ bezeichnet wird. Aus dem Vorwurf, sich nur mit der eigenen Unterdrückung auseinanderzusetzen, wird die Forderung abgeleitet, zentrale Aspekte der eigenen Unterdrückung gar nicht mehr zu thematisieren, weil andere nicht davon betroffen sind. Problematisch daran ist das Bedürfnis, eine Unterdrückung gegen die andere abzuwägen, eine als schwerwiegender zu deklarieren als eine andere. Wir sind überzeugt, dass strukturelle Ursachen für repressive gesellschaftliche Verhältnisse auch von Menschen, die nicht direkt negativ betroffen sind, erkannt und bekämpft werden können. Analog dazu denken wir auch, dass Männer Feministen sein können. Die Erfahrungen, die trans-Personen machen, können von denen von cis-Frauen abweichen, die Diskriminierungsformen sollten aber benannt, analysiert und überwunden werden, ohne dabei gegeneinander gestellt zu werden. Wir finden, dass angesichts der vielfältigen Differenzen nicht auf eine solidarische Praxis und Organisation verzichtet werden darf, da sonst einer umfassenden Emanzipation eine Absage erteilt würde. In all diesen Kämpfen, die geführt werden müssen, ist es notwendig, in der Analyse zu differenzieren, in der Praxis jedoch zu assoziieren. Feministische Kämpfe zu vereinen, bedeutet für uns, die vielen Facetten von Sexismus und Frauenfeindlichkeit zu benennen und anzugehen, ohne die einzelnen Kämpfe gegeneinander auszuspielen.

Ändert die Umstände, die das erzwingen!

Zum Mord an Sophia

Bild entnommen von http://niunamenos.org.ar

Die persönliche Trauer und Verzweiflung der Familie und Freund*innen Sophias mag in ihrem Ausmaß für uns schwer nachempfindbar sein, und doch möchten wir an dieser Stelle zunächst unser tiefes Beileid und ehrliches Mitgefühl ausdrücken. Der Tod eines Menschen ist nicht wiedergutzumachen; er löst Entsetzen und Unverständnis aus. Trotzdem und gerade deshalb erscheint es uns wichtig, diese Tat in ihren gesellschaftlichen Kontext zu setzen, sie in ein System einzuordnen und nicht als schicksalhaften Zufall stehen zu lassen.
Dazu wollen wir einige Überlegungen zu den aufgekommenen öffentlichen Reaktionen formulieren und diese Reaktionen gesellschaftlich verorten. Anschließend ist es uns ein Anliegen, persönliche Gedanken zu unserem eigenen (Nicht-)Umgang mit diesem Fall im Spezifischen und derlei Verbrechen im Allgemeinen, unserem Unvermögen, auf dies zu reagieren, zu teilen.

Es ist in jedem Fall wichtig, die rassistische Vereinnahmung des Mordes an Sophia zu thematisieren. Trotzdem erscheint uns ein anderer Aspekt dann unterzugehen, wenn sich die öffentliche Debatte ausschließlich um die Herkunft der Täter dreht: das Thema Sexismus. Denn betrachtet man Statistiken zu Morden und anderen Gewalttaten, so erscheint die Debatte um deutsche und nicht-deutsche Täter gerade zu bizarr. So lässt sich zum Beispiel im medialen Diskurs um die Silvesternacht in Köln eine relative Überbetonung der vermeintlich nicht-deutschen Herkunft der Täter beobachten. Auch der Fall Sophia wurde unter diesem Aspekt beispielsweise in den Protesten in Chemnitz instrumentalisiert. Unter der Aufrechnung der vermeintlichen Herkunft der Täter gegeneinander gerät das Verhältnis von Männern und Frauen* als Täter*innen und Opfer aus dem Blick, obwohl dieses eine erschreckend eindeutige Struktur aufweist: das Geschlecht kann als konstantester Faktor in der Auswirkung von Gewaltkriminalität ausgemacht werden. Im Folgenden wollen wir also nachzeichnen, wie sich dies in dem konkreten Fall Sophias darstellte und festhalten: es gibt einen gesellschaftlichen Kontext dieses Verbrechens.

Sexismus und rape culture

In die breite mediale Aufmerksamkeit, die das Verschwinden Sophias hervorrief, mischten sich neben Anteilnahme und Erschütterung schnell und geradezu affekthaft noch weitere Haltungen: Unverständnis gegenüber Sophias Verhalten als Frau bis hin zu Schuldzuweisungen: “Wie kann man als Frau heute noch allein trampen […].”

Diese Form des victim blaming funktioniert als Täter-Opfer-Umkehr, indem sie die Unschuld der Betroffenen an dem Verbrechen anzweifelt, ihr eine Mitschuld zuweist und damit die Tat des Mannes – zumindest in Teilen- entschuldigt. Ausgedrückt hat sich dies in diesem Fall z.B. in Form von Online-Kommentaren, die zynisch nochmal darauf hinweisen mussten, dass man als Frau ja vielleicht auch nicht alleine trampen hätte müssen. Dass eine solche Tat voraussehbar gewesen sei…
Was vielleicht naiv als wohlgesonnener Hinweis gemeint ist, verschiebt tatsächlich jedoch den Fokus der Schuldfrage vom Täter hin zum Opfer. Es gibt keine, wirklich keine Rechtfertigung, keine Kleidung, kein Verhalten, keinen Ort, keine Uhrzeit, die die Tat eines Mörders relativieren könnten.
Deutlich wird, dass hier Verstehen und Verständnis auseinanderfallen. Es ist emotional nachvollziehbar, dass besorgte Eltern ihren Töchtern den Rat geben, doch lieber nicht bei Fremden mitzufahren. Und doch ist dieser Ratschlag ambivalent und nicht unproblematisch. Denn er wälzt die Verantwortung für die Verhinderung von sexualisierter Gewalt und Morden auf die potenziell Betroffenen ab, anstatt die Täter und ihre Schuld zu thematisieren und problematisieren.

Diese mediale Verhandlung des Verbrechens entlang stereotyper Rollenerwartungen (gemeint ist hier eine Haltung, nach der Sophia als Frau ihr Verhalten hätte anders gestalten sollen, z.B. nicht bei Fremden einsteigen) verweist darauf, dass die geschlechtliche Sozialisation ein Kern von Femiziden ist und, dass diese geschlechtlichen Stereotype ihre Entsprechung in der Realität finden. Frauen sind tatsächlich stärker bedroht von bestimmten Formen von Gewalt und Femizide sind der traurige Ausdruck einer patriarchalen Strukturierung der Gesellschaft.

Gleichzeitig stehen Frauenmorde in einem krassen Widerspruch zum vermeintlich zivilisierten, “gewaltfreien” Selbstverständnis westlicher Demokratien, was zu ihrer Tabuisierung beiträgt. Somit werden Femizide in der Öffentlichkeit lieber als “Beziehungstaten aus verzweifelter Liebe” verhandelt, als dass es eine Auseinandersetzung mit den strukturellen Hintergründen der vernichtenden Realität gäbe: Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen werden zu 87,9% von Männern begangen und Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sogar zu 98,7%.

Das Private bleibt politisch

Bei der Beschäftigung mit dem Fall Sophia stoßen wir auf ein seltsames Unvermögen. Als Frauen – und damit potentiell immer von (sexualisierter) Gewalt Betroffene – erbringen wir tagtäglich eine Verdrängungsleistung. Sich der Gefahr ständig bewusst zu sein, der man als Frau auch in dieser Gesellschaft ausgesetzt ist, lähmt und verunmöglicht es, sich unbeschwert oder überhaupt sowohl im sogenannten Privaten als auch im öffentlichen Raum aufzuhalten. Diese lebensnotwendige Verdrängung ist kurzzeitig unmöglich, wenn man sich mit dem Mord an Sophia beschäftigt. Man ist plötzlich auf die eigene Verletzbarkeit und ständige Bedrohung/Brüchigkeit zurückgeworfen und wird sich der eigenen beschädigenden Verletzlichkeit bewusst. In diesem Moment entsteht ein Zwang zur Reflexion auf die Instabilität der eigenen Identität. Jedoch wird nicht nur das eigene Bild von sich, beispielsweise als unabhängige, starke Frau, hinterfragt. Zugleich wird die schlichte alltägliche Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ins Bewusstsein gehoben – und wir wären nicht weiblich sozialisiert, würden wir diese Leistung nicht auch für alle anderen Menschen um uns in Form von Sorgeleistungen erbringen.

Für uns soll der Fall Sophia ein Anlass sein, auf diese Anstrengung hinzuweisen, die wir Frauen tagtäglich unternehmen müssen. Wir sind es leid, uns tagtäglich einzureden zu müssen, dass wir unverwundbar seien.

Ändert die Umstände, die dies erzwingen!

Ein Text der Gruppe »the future is unwritten« – Leipzig, Januar 2019

Linke Organisierung und Emanzipation

Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe “Nationalismus ist keine Alternative” laden wir euch herzlich zu einer Vortragsveranstaltung mit Julian Bierwirth zu linker Organisierung und Emanzipation ein. Die Veranstaltung wird am Dienstag, dem 22. Januar, um 19 Uhr im Atari (Kippenbergstraße 20, Leipzig) stattfinden. Wir freuen uns auf eure Teilnahme!

Linker Aktivismus richtet sich zu allererst auf Emanzipation: auf die Befreiung von Verhältnissen, in denen Menschen unterdrückt werden. Dabei sollte Befreiung jedoch nicht mit der Herauslösung der Menschen aus ihren Verhältnissen verwechselt werden. Denn gerade ihre Vereinzelung stellt einen wesentlichen Charakterzug der kapitalistischen Moderne dar.

Als Gegenentwurf zu dieser Vereinzelung galt der Linken schon immer die solidarische Organisierung. Bei dieser Veranstaltung wollen wir daher schauen, warum es für linke Politik unabdingbar ist, warum ihre Protagonst*innen sich in Gruppen organisieren, welche Herausforderungen diese Organisierung mit sich bringt und wie wir ihnen begegnen können.

Zur Kritik des ostdeutschen Bewusstseins

Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe “Nationalismus ist keine Alternative” laden wir euch herzlich zu einer Diskussionsveranstaltung mit Heike Kleffner und uns zur Kritik des ostdeutschen Bewusstseins ein. Die Veranstaltung wird am Dienstag, dem 4. Dezember, um 19 Uhr im Ostpassage Theater (Eisenbahnstraße 74, Leipzig) stattfinden. Wir freuen uns auf eure Teilnahme!

Dass der Rechtsruck in Ostdeutschland konkrete Folgen hat, zeigte sich zuletzt in Köthen und Chemnitz bei den sogenannten „Trauermärschen“. Bei diesen wurden offen nationalsozialistische Reden gehalten und es kam zu Angriffen auf Personen, die nicht in das Bild des Mobs passten.

Doch bereits seit Jahren ist eine Kontinuität der rechten Ideologien in Ostdeutschland erkennbar. Zwar sind diese auch im Westen kein gesellschaftliches Randphänomen, jedoch kommt es hier im Osten erschreckend häufig zu öffentlichen Schulterschlüssen von Rechtsradikalen bis Bürgerlich-Konservativen. Menschenverachtende Hetzreden und gewaltsame Ausschreitungen auf Demos sind alles andere als eine Seltenheit und Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und rassistische Übergriffe häufen sich in ganz Ostdeutschland, vor allem in Sachsen.Hinzu kommt die mangelnde Aufarbeitung rechter Gewalt und politischer Organisierung – von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz offenbar nicht gewollt.

Die Veranstaltung soll untersuchen, warum in Ostdeutschland rechte Ideologien so offen zur Schau gestellt und weitergetragen werden können – ob Rassismus und Nationalismus hier nur zufällig verbreiteter sind als im Westen, oder ob diese Verbreitung strukturell andere Ursachen hat. Ist der Osten nur der Anfang und ziehen die westdeutschen Verhältnisse bald nach? Haben wir es hier wirklich mit einem Rechtsruck zu tun und inwiefern lassen sich historische Kontinuitäten erkennen? Welche Rolle spielen dabei die „bürgerliche Mitte“ Ostdeutschlands, 25 Jahre sächsische CDU-Regierung oder Neonazistrukturen aus den 1990ern?

Kurzum: gibt es so etwas wie ein ostdeutsches Bewusstsein und wenn ja, was können wir dagegen tun?

Ein*e Referent*in der Gruppe the future is unwritten wird diese und ähnliche Fragen zusammen mit Heike Kleffner diskutieren. Kleffner beschäftigt sich seit den 1990ern als Journalistin mit der rechten Szene, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Linksfraktion zum Thema NSU und ist Herausgeberin zweier Sammelbände über rechte Strukturen in Ostdeutschland. Die Veranstaltung wird durch die Rosa Luxemburg Stiftung gefördert. Diese Steuermittel werden auf Grundlage von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes zur Verfügung gestellt.

Hier findet kein angemessenes Gedenken statt!

Folgende Rede hielten wir beim Stadtteilspaziergang des Ladenschlussbündnisses am 8. August in Leipzig-Schönefeld.

Liebe Genoss*innen,

Die Auseinandersetzung mit dem Gedenken an der Kamenzer Straße markiert für uns als Gruppe ein wichtiges Spannungsfeld.
Ein paar Straßen weiter (genau hier, wo wir stehen) stand das größte Frauenaußenlager Buchenwalds. Frauen unterschiedlicher Nationalitäten, unter Anderem Jüdinnen, wurden hier zur Rüstungsproduktion für die nationalsozialistische Verbrechens- und Eroberungspolitik gezwungen. Von hier aus gingen auch Todesmärsche ab, wo es bis heute nicht klar ist, wie viele Menschen dabei ums Leben kamen.

Es ist nicht unüblich, dass Orte des nationalsozialistischen Verbrechens in Vergessenheit geraten sind. Seit Jahrzehnten kämpfen die Überlebenden des NS-Terrors für ein angemessenes Gedenken. Sie waren in ihren Kämpfen oft erfolgreich. Die Gedenkstättenlandschaft hat sich verändert in Deutschland. Es wurden auch im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Opfergruppen als diese anerkannt. Continue reading

Antifaschistischer Stadtteilspaziergang erfolgreich!

Das Ladenschlussbündnis berichtet vom erfolgreichen Stadtteilspaziergang gegen die Nutzung des ehemaligen Frauen-Konzentrationslagers in der Kamenzer Straße 10/12 durch Nazi-Strukturen. Wir hatten die Mobilisierung zu dem Spaziergang unterstützt und einen eigenen Redebeitrag zur Gedenkpolitik rund um die Kamenzer Straße beigetragen.

70 Antifaschist_innen haben sich gestern im Rabet an der Eisenbahnstraße zu einem antifaschistischen Stadtteilspaziergang durch Leipzig-Schönefeld getroffen. Ziel war die Kamenzer Straße 10/12, das Gelände auf dem sich unter der NS-Herrschaft ein Frauen-Außenlager des KZ-Buchenwand befand. Mittlerweile wird es von der Neonazi-Kampsportgruppe „Imperium Fight Team“ als Trainingsort genutzt und auch andere rechte, reaktionäre und patriarchale Strukturen nutzen die Kamenzer Straße 10/12 als Treffpunkt.

Der Spaziergang sollte im Stadtteil für die Problematik sensibilisieren und so verteilten wir Flugblätter, führten Gespräche mit Passant_innen und brachten politische Forderungen mit Sprühkreide an. An einigen Zwischenstationen hielten Teilnehmer_innen kurze Reden über ein Megafon. Am Stannebeinplatz wurde ein historischer Redebeitrag zu Zwangsarbeit in Leipzig vorgetragen, bei einer weiteren Zwischenstation ging es um vergangene Auseinandersetzungen mit Rassist_innen im Leipziger Osten. Beim Abschluss an der Kamenzer Straße wurde eine Rede zur gedenkpolitischen Situation um das Gelände gehalten. Am Ende trugen wir als Ladenschlussbündnis noch einmal unsere politischen Kernforderungen vor, die wir in den nächsten Tagen noch einmal veröffentlichen werden.

Vielen Dank an alle, die gestern mit dabei waren! Wir bleiben gemeinsam dran und lassen nicht locker, bis die reaktionären Männer-Banden und Nazi-Schläger die Kamenzer Straße verlassen! Nehmen das Gedenken an den NS selbst in die Hand und ziehen die richtigen Konsequenzen!

Stadtteilspaziergang in Leipzig-Schönefeld

Das Leipziger Ladenschlussbündnis lädt zu einem antifaschistischen Stadtteilspaziergang und vorherigem Basteltag im Leipziger Osten ein. Wir schließen uns diesem Aufruf an!

Mittwoch, 8.August 2018 – 17 Uhr – Rabet

Wir, das Leipziger Ladenschlussbündnis, haben uns zum Ziel gesetzt, Neonazistrukturen und rechte Netzwerke in Leipzig zu bekämpfen. Im Fokus steht ein Häuserkomplex in der Kamenzer Str. 10/12 in Leipzig-Schönefeld.

An diesem Ort befand sich von Juni 1944 bis April 1945 das größte Frauenaußenlager des KZ Buchenwald. Die dort ca. 5000 inhaftierten Frauen und Mädchen mussten schwerste Zwangsarbeit für einen Leipziger Rüstungskonzern leisten. Erschöpfung, Hunger, Krankheiten und Gewalt bestimmten den Lageralltag, mehrere hunderte Menschen fielen diesem Verbrechen zum Opfer.

Die Geschichte des Ortes und das Schicksal der Häftlinge ist heute weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Seit 2009 erinnert vor Ort eine kleine Gedenktafel an die dort begangenen Verbrechen, im städtischen Gedenken spielt der Ort und seine Geschichte jedoch keine Rolle. Stattdessen können Neonazis dort seit einigen Jahren weitgehend ungestört ihr Unwesen treiben. So wurden dort bereits seit 2008 regelmäßig Nazikonzerte veranstaltet. Seit 2017 ist die Kamenzer Straße 10/12 Trainingsort des „Imperium Fight Teams“, einem Kampfsport-Gym, das sich aus den Hooligan-Strukturen des 1. FC Lok Leipzig und Neonazis aus der Region rekrutiert.

Das Ladenschlussbündnis hat sich zum Ziel gesetzt, diese Zustände in der Kamenzer Straße nicht länger hinzunehmen und entschlossen und aktiv dagegen vorzugehen. Daher laden wir alle Antifaschist_innen und Leipziger_innen zu einem gemeinsamen Spaziergang am 8. August 2018 durch den Leipziger Nordosten ein.

Gemeinsam mit Euch wollen wir verschiedene historisch bedeutsame Stationen im Stadtteil ablaufen und die Öffentlichkeit und Anwohner_innen über die Aktivitäten der Neonazis in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft informieren. Lasst uns gemeinsam gegen die Nazis und ihr Treiben in der Kamenzer Straße vorgehen und uns für ein würdiges Gedenken an die Opfer des ehemaligen KZ-Außenlagers einsetzen!

Mi, 8.August 2018 – 17 Uhr

Treffpunkt: Rabet (am Aldi)
Endpunkt: Kamenzer Straße 10/12

Zur Vorbereitung des Antifaschistischen Stadtteilspaziergangs laden wir zu einem Bastelnachmittag ein. Kommt vorbei, informiert euch und gestaltet Transparente, Schilder und Anderes mit.

28. Juli 2018 – Ab 15 Uhr – Ort: E150 (ask your local network / Leipzig East)

Zwei Vorträge nächste Woche: Parlamentarismuskritik und neue Rechte

In der kommenden Woche laden wir euch herzlich zu zwei Veranstaltungen ein.

Echte Demokratie jetzt!? Kritiken des Parlamentarismus – ein Vergleich

ein Vortrag von the future is unwritten Leipzig

Wir wollen einen kritischen Blick auf die politischen Repräsentationsformen im Kapitalismus und auf ihre Kritiken werfen. Dazu werden wir verschiedene Parlamentarismuskritiken vorstellen, die Chancen und Gefahren einer Parlamentarismuskritik von links diskutieren und versuchen herauszustellen, was eine emanzipatorische linke Kritik des Parlamentarismus von reaktionären Kritiken unterscheiden würde.

19. JUNI / 19 UHR / UNI LEIPZIG: NEUES SEMINARGEBÄUDE (NSG) RAUM 228

»Neue Rechte« Entstehung, Ideologie und Gegenstrategien

ein Vortrag von TOP B3RLIN

In Halle gibt es ein Hausprojekt der Identitäten Bewegung. Die
Auflagenzahlen ihrer Publikationen sind in den letzten Jahren
stark in die Höhe gestiegen. Durch die Wahlerfolge der AfD
ist sie inzwischen parlamentarisch vertreten und ihre Finanzierung
in den nächsten Jahren gesichert. Seit geraumer Zeit
geben sich Journalist*innen bei Götz Kubitschek in Schnellroda
die Klinke in die Hand und auf den Buchmesse ist sie längst
akzeptierte Gesprächspartnerin.

Aber wer oder was ist die sogenannte „neue Rechte“? Was will
sie? Was unterscheidet sie von klassischen Neonazis und worin
bestehen Gemeinsamkeiten?
Der Vortrag gibt einen Einstieg in die Entstehung und aktuelle
Verfassung des reaktionären Spektrums zwischen Unionsparteien
und NPD. Neben den ideologischen Grundpfeilern,
werden die relevanten Personen und Strategien vorgestellt und
nach angemessenen antifaschistischen Antworten gesucht.

22. JUNI / 19 UHR / OST-PASSAGE THEATER
KONRADSTR. 27 (ÜBER ALDI) 04315 LEIPZIG

Krisis – Film und Kneipe

Zusammen mit der Gruppe polar aus Dresden laden wir herzlich zu diesem Film- und Kneipenabend ein.

Krisis“ – ein Dokumentarfilm über eine solidarische Klinik in Piräus (99 min., griech., dt. Untertitel)

8. Juni, 19 Uhr, Zollschuppenstr. 1

Eintritt frei

Im Anschluss findet ein Filmgespräch mit dem Regisseur Wolfgang Reinke statt. Danach können wir den Freitag Abend in netter Kneipenatmosphäre genießen.

Jede Krise birgt die Chance zur radikalen Veränderung! Ein Blick aus deutscher Sicht auf die Geschehnisse in Griechenland zwischen Januar 2015 und September 2016. Im antiken Griechenland diente das Wort „Krise“ nicht nur um instabile Zustände zu beschreiben, sondern umfasste auch das Aufbrechen etablierter Verhältnisse.
 Bedingungslose Solidarität und menschliche Güte sind die Waffen mit denen sich drei Griechen und Griechinnen der schier endlosen sozialen und politischen Katastrophe entgegenstellen. Enttäuscht von den aktuellen politischen Entwicklungen, sehen die drei nur eine Handlungsalternative: soziales Engagement.
 Sie arbeiten Tag und Nacht bis zur Erschöpfung, um ihren Traum einer besseren Welt Wirklichkeit werden zu lassen. Mit Hinblick auf den politischen Rechtsruck in Europa erzählt der Film von einem Zusammenleben jenseits von geografischen oder sozialen Wurzeln. 
Der Crowdfunding-Film feierte seine Premiere im März 2018 in Athen.

(Unterstützt durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Trailer des Films:

Räte statt Rackets! Reaktionäre Männer-Banden zerschlagen!

Folgende Rede hielten wir am 8. Mai 2018 auf der Kundgebung des Ladenschlussbündnisses gegen den Trainingsort der Neonazis vom Imperium Fight Team im ehemaligen KZ-Außenlager in der Kamenzer Straße 10/12.

Liebe Anwohner_innen, liebe Antifaschist_innen,

in den Aufrufen, Reden und Informationsveranstaltungen des Ladenschlussbündnisses ist es bereits mehr als deutlich geworden: Leipzig hat ein Problem mit reaktionären Bandenstrukturen. Das Imperium Fight Team um den politisch einschlägigen Nazi-Hooligan Benjamin Brinsa, das hier ein ehemaliges KZ-Außenlager als Kampfsport-Trainingsort nutzt, ist dabei die Spitze des Eisbergs. Hier ansässig sind auch Rocker-Strukturen. Das Imperium Fight Team hat Überschneidungen mit der Hooligan-Szene von Lok Leipzig. Auch ins Rotlicht-Milieu erstrecken sich die rechten Netzwerke in Leipzig. Wenn wir über reaktionäre Bandenstrukturen reden, reden wir nicht über einfache Neonazi-Kameradschaften. Wir reden über Strukturen, die sich weit in den so genannten vorpolitischen Raum erstrecken und die eines gemeinsam haben: es sind Strukturen in denen Männer auf Basis persönlicher, informeller Kontakte und Seilschaften geschäftliche, sportliche, kulturelle und politische Aktivitäten betreiben. Derartige Männer-Banden gibt es nicht nur im neonazistischen Umfeld: sie sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und eins haben sie immer gemeinsam: die Zusammenrottung von Männern, die sich als gewaltbereite Verteidiger ihrer Gemeinschaft in Szene setzen. Frauen kommen bei diesen Inszenierungen selten vor, oder werden in den Hintergrund gedrängt, selbst wenn ihre Tätigkeiten faktisch eine wichtige Rolle spielen.

Und diese Art von Männer-Banden kritisieren wir auch dann, wenn sie keine rechte politische Ausrichtung haben. Weil sie Ausdruck patriarchaler Strukturen sind, Zugang zu Macht an Geschlechtszugehörigkeit, Gewalt entweder als Selbstzweck oder zu Durchsetzung ihrer Eigeninteressen nutzen und persönliches Wohlwollen koppeln und in aller Regel ein ultra-sexistisches Weltbild teilen und verbreiten.

Wir wollen diese Rede nutzen, um einen kurzen Blick auf die Gründe zu werfen, die zur Entstehung solcher Strukturen führen. Kapitalismus und Patriarchat spielen dabei in fataler Weise mit autoritären Charakterstrukturen zusammen. Wir werden nacheinander auf die genannten Ursachen eingehen und deren Zusammenhang zum Phänomen der reaktionären Männer-Banden darstellen. Continue reading