LEGIDA-Geburtstagsparty am 11. Januar crashen!
Seit bald einem Jahr nimmt das rassistische Demonstrationsbündnis “Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes” die Leipziger Innenstadt für ihre Aufmärsche in Beschlag. Vertreter von DIE RECHTE wie Rolf Dietrich oder Alexander Kurth ließen sich ebenso sehen wie Hans-Thomas Tilschneider von der Patriotischen Plattform der AfD, oder der Rassist und Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer. Waren es zu Beginn der LEGIDA-Demos im Januar 2015 noch bis zu 10.000 Personen, gelang LEGIDA in den letzten beiden Monaten des Jahres nicht über die 500-Teilnehmer_innen-Marke hinauszukommen. Auch wenn die Selbstinszenierung der LEGIDA-Anhänger_innen als “das Volk” eine maßlose Selbstüberschätzung darstellt, sind die sinkenden Teilnehmer_innenzahlen keinesfalls ein Grund zur Entwarnung. Über das Jahr 2015 konnte sich in Leipzig eine rassistische Demonstrationspraxis etablieren, deren Spektrum sich durch Abspaltungen weiter ausdifferenzierte. Vom ursprünglichen Führungszirkel LEGIDAs blieb am Ende des Jahres nur noch Markus Johnke übrig, der als Moderator durch die Kundgebungen der zweiten Jahreshälfte führte. Der Versammlungsleiter der ersten LEGIDA-Demonstration, Silvio Rösler, machte sich im September unter dem Label “Offensive für Deutschland” selbstständig. Nazistische Organisationen wie die Brigade Halle oder auch DIE RECHTE waren fortan eher im Dunstkreis Röslers zu beobachten. Während die Abspaltung OFD mit 200 meist sehr aggressiven Teilnehmer_innen stagnierte, konnte LEGIDA in der zweiten Jahreshälfte zu ihrem wöchtlichen Demonstrationstakt zurückfinden.
Durch LEGIDA, OfD und anderen völkischen Organisationen wurde in Leipzig und Umgebung ein rechtes Erlebnisangebot etabliert, dessen Mobilierungspotential eine weite inhaltlichen und personellen Bandbreite abdeckt. Vornehmlich nahm sich LEGIDA zum Ziel, das Abendland gegen die vermeintliche muslimische Invasion und den so genannten “Gender-Wahn” verteidigen zu wollen. Daneben wird jedoch ein breiteres Spektrum an parolenhaften Inhalten vertreten, die von der Solidarität mit der Politik Wladimir Putins über die Ablehnung des Freihandelsabkommens TTIP, die Forderung nach Abschaffung der GEZ-Gebühr bis hin zur Forderung nach Schließung der Grenzen und Abschiebung von so genannten “Ausländern” reichen und in ihrem Zusammenspiel eine konfuse Melange dieser autoritären Rechten ergeben. Weder die USA noch die “Lügenpresse” sollen das deutsche Volk zur Selbstaufgabe bringen. Die “Invasion” durch den Islam soll von identitätsbewussten Europäer_innen abgewehrt werden. Die Überschneidung dieser Positionen ist die Forderung nach dem Schutz der vermeintlichen Volksgemeinschaft.
Mit seiner wohl unerwarteten Kontinuität hat das Phänomen LEGIDA die radikale Linke in Leipzig vor neue Herausforderungen gestellt. Im Gegensatz zu den Protesten gegen die rigoroser auftretende OfD, waren linke Antifaschist_innen bei den Aktivitäten gegen LEGIDA in den letzten Monaten weniger sichtbar. Dies birgt mitunter die Gefahr den eigenem Anspruch, faschistische Ideologien nicht nur auf Neonazismus zu reduzieren, zu unterlaufen. In der Öffentlichkeit schien der Widerstand gegen LEGIDA somit stark durch ein staatstragendes oder grün-alternatives Spektrum geprägt, was sich entsprechend auf den öffentlichen Diskurs auswirkte. Antifaschist_innen wurden dabei wahlweise als unpolitische Gewalttäter_innen oder Terroristen_innen diffamiert und mit Rassist_innen gleichgesetzt. Stadtvertreter_innen und die Kirche rufen nunmehr zu einer symbolischen Lichterkette für ein „friedliches Zusammenleben“ und gegen extremistische Gewalt auf. Es erweist sich allerdings als fataler Fehler faschistoide Bewegungen lediglich unter dem Menetekel der Gewaltbereitschaft oder dem Konstrukt des politischen Extremismus zu fassen. Rassistische, sexistische und autoritäre Ideologien müssen in ihrer gesellschaftlichen Verankerung verstanden und bekämpft werden. Angesichts von rassistischen Überfällen, Auschreitungen und Anschlägen stellt die momentane Mobilisierung von Rechts aber mehr noch eine konkrete Bedrohung dar. Durch entpolisitisierende Lichterketten und andächtiger Selbstinzinierung lässt sich dieser Situation wohl kaum angemessen begegnen. Die Erfahrung mit der rechten Mobilisierungswelle des vergangenen Jahres und der darauf folgende Anstieg rassistischer Gewalt sollte gezeigt haben, dass es notwendig ist faschistische Propaganda und Aufmärsche von vornherein zu unterbinden.
LEGIDA-Aufmarsch verhindern!