Category Archives: Leipzig

Mieten runter – Löhne und Gehälter rauf! – oder was Zwangsräumungen mit dem Niedriglohnsektor zu tun haben

Die Arbeitskämpfe in den letzten Monaten bei der Bahn oder bei Amazon haben deutlich gemacht, dass Streiks durchaus nicht der Vergangenheit angehören. In der letzten Zeit wurden sogar Arbeitskämpfe in Sektoren bekannt, die gemeinhin als schwer oder nicht organisierbar galten. So gab es in Berlin einen erfolgreichen Arbeitskampf in einem Spätkauf, Gefangene gründen eine Gewerkschaft und Geflüchtete kämpfen für das Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft.

Eine Folge des wachsenden Niedriglohnsektors bei gleichzeitig steigenden Mieten in der BRD sind Mietschulden, die oftmals mit Kündigungen und Zwangsräumungen enden. Zunehmend wehren sich Mieter_innen gegen ihre drohende Vertreibung.

Gemeinsam wollen wir uns dann die Frage stellen, wie die Kämpfe am Arbeitsplatz mit diesen Selbstorganisationsversuchen von Mieter_innen verbunden werden können. Schließlich beginnen sowohl am Arbeitsplatz als auch im Wohnumfeld Menschen ihre Angst zu verlieren, lernen ihre Kolleg_innen und Nachbar_innen können und beginnen sich in ihrem Alltag zu wehren.

Dazu haben wir zwei Referenten eingeladen. Der Journalist Peter Nowak wird einige Facetten der neuen Streiks und Arbeitskämpfe vorstellen. Er hat in der Edition Assemblage das Buch „Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht“ herausgegeben.

Matthias Coers, Regisseur des Films „Mietrebellen“ wird anhand von Videos aktuelle Mieter_innenkämpfe vorstellen.

Am Freitag, den 4. März 2016, um 19.00 Uhr im Stadtteilladen Zweieck (Zweinaundorferstr. 22, Leipzig).  

Informations- und Mobilisierungsveranstaltung zum Antifaschistischen Jugendkongress “TIME TO ACT” in Chemnitz

Zusammen mit der Antifa Klein-Paris informieren wir am 09. März um 19.00 Uhr im Conne Island über TIME TO ACT!, den Antifaschistischen Jugendkongress 2016 in Chemnitz.

Es ist kalt in Deutschland: Nazis patrouillieren durch die Straßen, tagtäglich gibt es Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte, ständig dasselbe rassistische Stammtischgelaber bei der AfD oder beim örtlichenPegida-Ableger und es steht schon wieder eine Asylrechtsverschärfung an. Wir finden das zum kotzen!

Wenn es euch auch so geht und ihr zusammen mit anderen was dagegen tun wollt, dann kommt zum antifaschistischen Jugendkongress (JuKo) nach Chemnitz!

Vom 1.-3. April erwartet euch ein breites Programm. So gibt es beispielsweise Workshops dazu wie ihr einen Schulstreik organisieren oder eure eigene Gruppe gründen könnt, und was es über Demonstrationen zu wissen gibt. Ihr könnt euch ausprobieren mit Flyergestaltung, Streetart, Selbstverteidigung und vielem mehr. Außerdem gibt es spannende Workshops zu inhaltlichen Themen wie Neonazi-Organisationen, Antirassismus, Feminismus und Kapitalismuskritik. Das komplette Programm findet ihr auf unserer Website.

Zusammen wollen wir uns mit der Gesellschaft, in der wir leben, beschäftigen.

Das ganze Wochenende lang werden wir uns austauschen, gemeinsam Handlungsmöglichkeiten entwickeln, mit euch kritisieren und uns für weitere Aktionen vernetzen. Der JuKo soll neue Perspektiven eröffnen für alle, die sich antifaschistisch, feministisch und antirassistisch organisieren wollen, dies vielleicht schon tun oder einfach nur mehr darüber erfahren wollen, wie man zusammen was verändern kann.

Der Kongress ist kostenlos, es gibt ausreichend Pennplätze und auch für Essen und Getränke wird gesorgt – meldet euch einfach auf der Internetseite an und verbringt ein abwechslungsreiches, politisches und entspanntes Wochenende mit uns in Chemnitz.

Veranstaltet von: Vaag Ost (Vernetzung antifaschistischer und antirassistischer Gruppen Ost)
In Kooperation mit: Projekt Verein e.V./Conne Island
Gefördert durch: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Homepage: timetoact.noblogs.org

Link zum Facebook-Event: hier.

Praktikant*innen der Zivilgesellschaft? Zur asylpolitischen Rolle des Staates

Das Institut für Zukunft und der Kulturraum e.V. laden für den 3. März um 19 Uhr zu einem Gespräch zur Rolle des Nationalstaats in der Asylpolitik und der Frage, was die staatliche Verweigerung der Verantwortungsübernahme für Asylsuchende für praktisch-politische Solidarität bedeutet. Wir werden auf dem Podium versuchen, einen aufschlussreichen Beitrag zu diesen Fragen zu leisten. Die Veranstaltung wird im Institut für Zukunft, An den Tierkliniken 38, in Leipzig stattfinden. Der Ankündigungstext:

Der deutsche Staat nimmt sich aus der Verantwortung bessere Infrastrukturen und Möglichkeiten für Geflüchtete zu schaffen zurück. Innovative Ansätze von Privatwirtschaft, Kommunen und freien Trägern im Bereich der Asylhilfe werden hingegen mit Auszeichnungen und Anerkennung der Politik überschüttet. Immer öfter wird argumentiert, dass Bürger*innen den Staat unterstützen sollen, da dieser finanziell und strukturell überfordert sei.
Praktische Solidarität ist angesichts der ­ politisch selbsterzeugten ­ hiesigen menschenunwürdigen Verhältnisse für Geflüchtete alternativlos. Doch besteht hierbei auch die Gefahr sich an der Etablierung einer neoliberalen Flüchtlingspolitik zu beteiligen? Wenn die freiwillige Hilfeleistung zum Bestandteil des staatlichen Kalküls wird, entwickelt sich das Recht auf Asyl zu einer humanitären Geste und wird damit abhängig von der individuellen Wohltätigkeit der Bürger*innen?

In einem Gespräch mit Johanna Bröse und The Future Is Unwritten sollen Ambivalenzen und Problematiken privater und ehrenamtlicher Hilfsstrukturen und der damit verbundenen Neoliberalisierung der Flüchtlingspolitik diskutiert werden. Gleichzeitig soll es um die Frage gehen, worin die Aufgabe eines Nationalstaats hierbei eigentlich besteht und was qua Begriff gar nicht erst von ihm erwartet werden sollte.

Johanna Bröse (Netzwerk Flüchtlingsforschung, Uni Tübingen)
the future is unwritten – Leipzig

DIe Veranstaltung wird von der Amadeu Antonio Stiftung finanziell unterstützt.

Support: The Future Is Unwritten

>>Supportparty des Instituts für Zukunft mit und für the future is unwritten<<<

Freitag, 12. Februar, Institut für Zukunft (An den Tierkliniken 38, 04103 Leipzig)

[Facebook-Link]

the future is unwritten, mitwirkend am kommunistischen Bündnis …ums Ganze! (einschlägig bekannt aus Film, Fernsehen und diversen Filmchen auf YouTube), organisiert seit 2011 Politik in Leipzig und darüber hinaus: linksradikale Alltagspraxis, thematische Demonstrationen, punktuelle Interventionen, inhaltliche Veranstaltungen und geistreiche Diskussionsbeiträge, etc. pp. – ihr kennt das ja. Thematisch reicht unser Fokus von Antifaschismus über Feminismus bis hin zu sozialen Kämpfen – stets an der Frage orientiert, wie man Gesellschaft eines Tages mal rational organisieren könne. Die Devise lautet: Gegen alles Schlechte, für das gute Leben! Doch leider kostet im Kapitalismus – und das ist ein vertracktes Elend – auch der Kampf für die Überwindung desselben nun mal leider Kohle. Und da wir bekanntlich keine Fans der Maloche sind, laden wir lieber zum Tanz.

Musikalisch wird der Abend nicht so ungewiss wie die Zukunft: Disco, Hip Hop und ein wenig elektronische Musik sollen euch an diesem Abend erfreuen.

Trakt I
Celentano Brothers
lowT
Club Malte

Trakt II
kaput&akkro
Eros Amaretto
Stanley Schmidt

Für einen linksradikalen Widerstand gegen Rassismus und deutsche Volksgemeinschaft!

LEGIDA-Geburtstagsparty am 11. Januar crashen!

Seit bald einem Jahr nimmt das rassistische Demonstrationsbündnis “Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes” die Leipziger Innenstadt für ihre Aufmärsche in Beschlag. Vertreter von DIE RECHTE wie Rolf Dietrich oder Alexander Kurth ließen sich ebenso sehen wie Hans-Thomas Tilschneider von der Patriotischen Plattform der AfD, oder der Rassist und Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer. Waren es zu Beginn der LEGIDA-Demos im Januar 2015 noch bis zu 10.000 Personen, gelang LEGIDA in den letzten beiden Monaten des Jahres nicht über die 500-Teilnehmer_innen-Marke hinauszukommen. Auch wenn die Selbstinszenierung der LEGIDA-Anhänger_innen als “das Volk” eine maßlose Selbstüberschätzung darstellt, sind die sinkenden Teilnehmer_innenzahlen keinesfalls ein Grund zur Entwarnung. Über das Jahr 2015 konnte sich in Leipzig eine rassistische Demonstrationspraxis etablieren, deren Spektrum sich durch Abspaltungen weiter ausdifferenzierte. Vom ursprünglichen Führungszirkel LEGIDAs blieb am Ende des Jahres nur noch Markus Johnke übrig, der als Moderator durch die Kundgebungen der zweiten Jahreshälfte führte. Der Versammlungsleiter der ersten LEGIDA-Demonstration, Silvio Rösler, machte sich im September unter dem Label “Offensive für Deutschland” selbstständig. Nazistische Organisationen wie die Brigade Halle oder auch DIE RECHTE waren fortan eher im Dunstkreis Röslers zu beobachten. Während die Abspaltung OFD mit 200 meist sehr aggressiven Teilnehmer_innen stagnierte, konnte LEGIDA in der zweiten Jahreshälfte zu ihrem wöchtlichen Demonstrationstakt zurückfinden.
Durch LEGIDA, OfD und anderen völkischen Organisationen wurde in Leipzig und Umgebung ein rechtes Erlebnisangebot etabliert, dessen Mobilierungspotential eine weite inhaltlichen und personellen Bandbreite abdeckt. Vornehmlich nahm sich LEGIDA zum Ziel, das Abendland gegen die vermeintliche muslimische Invasion und den so genannten “Gender-Wahn” verteidigen zu wollen. Daneben wird jedoch ein breiteres Spektrum an parolenhaften Inhalten vertreten, die von der Solidarität mit der Politik Wladimir Putins über die Ablehnung des Freihandelsabkommens TTIP, die Forderung nach Abschaffung der GEZ-Gebühr bis hin zur Forderung nach Schließung der Grenzen und Abschiebung von so genannten “Ausländern” reichen und in ihrem Zusammenspiel eine konfuse Melange dieser autoritären Rechten ergeben. Weder die USA noch die “Lügenpresse” sollen das deutsche Volk zur Selbstaufgabe bringen. Die “Invasion” durch den Islam soll von identitätsbewussten Europäer_innen abgewehrt werden. Die Überschneidung dieser Positionen ist die Forderung nach dem Schutz der vermeintlichen Volksgemeinschaft.

Mit seiner wohl unerwarteten Kontinuität hat das Phänomen LEGIDA die radikale Linke in Leipzig vor neue Herausforderungen gestellt. Im Gegensatz zu den Protesten gegen die rigoroser auftretende OfD, waren linke Antifaschist_innen bei den Aktivitäten gegen LEGIDA in den letzten Monaten weniger sichtbar. Dies birgt mitunter die Gefahr den eigenem Anspruch, faschistische Ideologien nicht nur auf Neonazismus zu reduzieren, zu unterlaufen. In der Öffentlichkeit schien der Widerstand gegen LEGIDA somit stark durch ein staatstragendes oder grün-alternatives Spektrum geprägt, was sich entsprechend auf den öffentlichen Diskurs auswirkte. Antifaschist_innen wurden dabei wahlweise als unpolitische Gewalttäter_innen oder Terroristen_innen diffamiert und mit Rassist_innen gleichgesetzt. Stadtvertreter_innen und die Kirche rufen nunmehr zu einer symbolischen Lichterkette für ein „friedliches Zusammenleben“ und gegen extremistische Gewalt auf. Es erweist sich allerdings als fataler Fehler faschistoide Bewegungen lediglich unter dem Menetekel der Gewaltbereitschaft oder dem Konstrukt des politischen Extremismus zu fassen. Rassistische, sexistische und autoritäre Ideologien müssen in ihrer gesellschaftlichen Verankerung verstanden und bekämpft werden. Angesichts von rassistischen Überfällen, Auschreitungen und Anschlägen stellt die momentane Mobilisierung von Rechts aber mehr noch eine konkrete Bedrohung dar. Durch entpolisitisierende Lichterketten und andächtiger Selbstinzinierung lässt sich dieser Situation wohl kaum angemessen begegnen. Die Erfahrung mit der rechten Mobilisierungswelle des vergangenen Jahres und der darauf folgende Anstieg rassistischer Gewalt sollte gezeigt haben, dass es notwendig ist faschistische Propaganda und Aufmärsche von vornherein zu unterbinden.

LEGIDA-Aufmarsch verhindern!

Redebeitrag zur linskradikalen Ersten Mai Demonstration 2014 in Leipzig

„Griechenland trumpft wieder auf“ titelte Die Welt Ende März. Und auch Die Frankfurter Allgemeine verkündete Mitte April nicht ohne Stolz auf den eigenen deutschen Beitrag zur Krisenbewältigung „6 Gründe, warum Griechenland wieder hoffen kann“.

Nehmen wir die Verlautbarungen der Regierungsvertreterinnen und Journalisteninnen ernst und sagen, die Krise des Euroraums scheint sich zaghaft zu beenden. Nehmen wir die Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds und der Finanzmärkte ernst und behaupten, die griechische Wirtschaft erholt sich.
Sagen wir, es werden mehr Autos fabriziert, die Tourismusbranche erlebt ein Rekordhoch, Schnellstraßen werden gebaut und die ersten Staatsanleihen wieder ausgegeben.
Dann ist die Frage, was die Jubeltöne angesichts der sich erholenden Wirtschaft zu bedeuten haben, wenn wir doch davon ausgehen, dass das Funktionieren des kapitalistischen Räderwerks heute nur noch wenig mit dem Glück der Menschen zu tun hat. Continue reading

Kein Al Quds Tag 2014! Gemeinsame Zuganreise

Man muss nicht behaupten, der Nah-Ost Konflikt würde in Deutschland entschieden und schon gar kein Fan der Regierung Netanyahu/Lieberman sein, um am Freitag nach Berlin zu fahren und den größten antisemitischen Aufmarsch Deutschlands verhindern zu wollen.

Gründe, warum dies nötig ist, finden sich in den letzten Wochen schon genug vor der eigenen Haustür. Continue reading

Von Lampedusa nach Hellersdorf – Rassismus und Sozialchauvinismus als Folgen kapitalistischer Vergesellschaftung

Von Lampedusa nach Hellersdorf – Rassismus und Sozialchauvinismus als Folgen kapitalistischer Vergesellschaftung

18 Uhr | Meuterei (Zollschuppenstraße 1)

Wirft man dieser Tage einen Blick in die Presse, könnte man zu dem Eindruck gelangen, dass sich die Geschichte wiederholt: wie Anfang der 90er Jahre fallen eine politische Diskussion um das Asylrecht mit mehr oder minder spontanen Ausbrüchen des „Volkszorns“ zusammen, in denen sich Bürger und/ oder Nazis vor Unterkünften von Geflüchteten versammeln und im Fackelschein „Wir sind das Volk“ skandieren. Tatsächlich kann aber von einer Wiederholung insofern nicht die Rede sein, als dass sich inzwischen nichts geändert hatte. Vielmehr ließe sich von einer Fortsetzung sprechen; einer Fortsetzung rassistischer Ressentiments innerhalb der Bevölkerung einerseits und einer Fortsetzung einer restriktiven Asylpolitik, die zwar heute vermehrt auf EU-Ebene verhandelt wird, ihren nationalen Bezug dabei aber keineswegs verloren hat. Denn letztlich sind es die nationalen Interessen der EU-Mitgliedstaaten, die mittels des Asylrechts vor „zu viel Zuwanderung“ geschützt werden sollen. An der Stelle stimmen Bürgermob und Nazis in das Lied mit ein – nur, dass sie ihre nationalen Interessen durch den Staatsapparat eben nicht genug geschützt sehen und deswegen selbst auf die Straße gehen. Ihnen geht es aber dabei auch um „mehr“. Sie sorgen sich wenig um die wirtschaftliche Nützlichkeit der Geflüchteten und noch weniger um deren humanitäre Notlage, sondern in erster Linie um sich selbst. Kriminalität gehe von den Asylbewerbern und ihren Unterkünften aus, dass sei ja hinlänglich erwiesen, ihr Stadtteil leide darunter. Flankiert wird dieses Ressentiment von der Angst, in irgendeiner Form benachteiligt zu werden; Sozialleistungen und Arbeitsplätze sind knapp, da ist doch klar, dass die eigene Solidarität an der Grenze der Nation endet. Offenbar treibt die hohe Politik etwas anderes um als den Volksmob auf der Straße. Offensichtlich ist beides aber Teil ein und desselben gesellschaftlichen Problems – zwei Seiten einer Medaille. Auf der Veranstaltung am 10.05. wollen wir eine Antwort auf die Frage geben, welches Problem das ist und wie es beide Seiten vermittelt, und diese Antwort zur Diskussion stellen. So viel sei vorab gesagt: beides wird befeuert durch Funktionen und Folgen einer kapitalistischen Ökonomie.

Der Vortrag findet im Rahmen der antirassistischen Aktionstage in Leipzig statt und wird von der Gruppe Kritik & Intervention aus Bielefeld gehalten. Sie ist organisiert im kommunistischen …umsGanze! Bündnis.

Text: Vokü und Adorno – Zum Primat der Praxis.

Vokü und Adorno
Und warum eins nicht ohne das andere zu haben ist.
Eine Replik auf Daniel Palm

„Hin und her und hin und her gerissen/
zwischen verstehen wollen und handeln müssen“
(Blumfeld)

no future

 

 

Anlass

In dem Text „Linke Leipziger Zustände“ aus dem CeeIeh #208[1] wurde uns und anderen, nicht genauer genannten, Leipziger Gruppen vorgeworfen die „Idee einer im Kapitalismus herrschenden Totalität von Tauschwert“ (Zitat CeeIeh Text) zu vertreten. Diese müsse letztlich zu einer Vorverurteilung aller Formen widerständiger Praxis als Teil des falschen Ganzen und zu einer Blockierung weiterer emanzipativer Erfahrungen führen. Diese Erfahrungen, in denen Herrschaftsformen durchbrochen und alternative Möglichkeiten der Vergesellschaftung vorstellbar werden, seien jedoch, so der Autor, in einem weiteren Schritt gerade der Ausgangspunkt für eine Überwindung der bestehenden Verhältnisse. Erworben würden sie durch die Politisierung des eigenen Lebens; d.h. eine spezifische „richtige Praxis“, die darauf ziele, „jene Werte und Umgangsformen, um welche es ganz subjektiv geht, jeden Tag konsequent aufs Neue vorzuleben und ohne Herrschaftsanspruch weitergeben zu suchen.“ Konkret geht es dabei um anzueignende Räume, insbesondere Hausprojekte, selbstverwaltete Strukturen etc., in denen die Konturen einer besseren Gesellschaft entworfen und umgesetzt werden können. Bis dahin gibt es in diesem Text wenig, dem wir widersprechen würden, außer eben, dass diese Kritik auf uns – und insbesondere auf den diskutierten Text „Aufruhr im Gemüsebeet“ – zuträfe. Denn in diesem Text ging es uns nicht darum, als kritische Kritiker eine unausweichliche und umfassende Verdinglichung zu behaupten, um davon ausgehend anderen Akteuren ihre notwendigen ideologischen Verblendungen nachzuweisen; vielmehr ging es gerade um das spezifische Problem, ob und wie eine konkrete Praxis, nämlich die Intervention in die Blockupy-Proteste in der Form, eine Erfahrung ermöglicht, in der wir nach unseren eigenen Grundsätzen kooperieren können.[2]

Uns stellt sich jedoch die Frage, ob das, was eine Politisierung des eigenen Lebens für uns heißen würde, mit den vorhin beschriebenen Praktiken schon zureichend erfasst ist und ob es tatsächlich möglich ist, ohne weiteres zu bestimmen, was eine „richtige Praxis“ kennzeichnet. In der Tat: „Was wären Linke eben ohne solche Räume, in denen schon praktiziert werden kann, was eine bessere Gesellschaft ausmacht?“ Sie sind der Ausdruck einer spezifischen Form der Selbstermächtigung, da in ihnen der Versuch unternommen wird, konkrete Herrschaftsformen zu überwinden und bestimmte Lebensbereiche nach eigenen Kriterien einzurichten. In diesem Sinne lassen sie sich als eine konkrete Form widerständiger Praxis verstehen. Wer eine solche widerständige Praxis jedoch allein als konsequente und umfassende Umsetzung der eigenen „Werte und Umgangsformen“ in den eigenen Handlungszusammenhängen versteht, läuft gleichwohl Gefahr sich zeitlich zu überfordern, alle eigenen Handlungen unter Rechtfertigungszwänge zu stellen und sich in den alternativen Biotopen einzurichten, in denen diese Überzeugungen allgemein geteilt werden. Darüber hinaus sind solche alternativen Räume ungewollt exklusiv, schließen sie doch beispielsweise Szenefremde, oder Menschen, die nicht genug zeitliche Kapazitäten haben, aus. Dies führt dann gerade nicht zu einer umfassenden Politisierung des eigenen Lebens, sondern zu einer erweiterten Form der Privatheit, in der maximal nichts falsch, aber auch nicht mehr als sie selbst richtig gemacht wird.

Im Gegensatz zu dieser privatisierten Form von Praxis, die allemal notwendig, aber keinesfalls hinreichend ist, möchten wir im Folgenden das Primat der gesellschaftlichen Praxis als erkenntnistheoretische Grundlage kritischer Theorie geltend machen. Kritische, widerständige oder revolutionäre praktische Erfahrung ist so als Dreh- und Angelpunkt kommunistischer Aktion und als Bedingung kritischer Reflexion überhaupt zu verstehen. Nicht zu Letzt soll damit auf den Vorwurf des Theoriechauvinismus oder Theorieidealismus – d. h. der Annahme, von einer kritischen Warte aus sich selbst nicht mehr als (widerständig-)tätiges Individuum zu begreifen, sondern quasi-objektiv die Verdinglichung der anderen zu konstatieren – eingegangen werde, der gegenüber unserer Gruppe geäußert wurde.[3] Continue reading