Keine Debatte mit Fans von nationaler Abschottung und Patriarchat!
Unser aktueller Debattenbeitrag zur Diskussion um die rechten Verlage, denen die Leipziger Buchmesse die Möglichkeit bietet, dort mit Ständen vertreten zu sein. Diesen haben wir auch als Flyer bei der heutigen Kundgebung von »Verlage gegen Rechts« verteilt.
Bereits seit Jahren verfolgt die Leipziger Buchmesse die Politik reaktionären, faschistischen, antisemitischen, sexistischen und nationalistischen Verlagen und Publikationen Stände und Diskussionsveranstaltungen zu gewähren. Begründet wird dies mit dem Argument, der Buchhandel müsse für die Meinungsfreiheit einstehen, wie zum Beispiel der ehemalige Verleger Ernst Piper in der WELT ausführte: „Das gesprochene wie das geschriebene Wort, seine Verbreitung und alles, was damit zu tun hat, der herstellende wie der verbreitende Buchhandel, sind
untrennbar mit der Freiheit der Meinungsäußerung und dem Kampf für die Verteidigung dieser Freiheit verbunden. Und die Freiheit der Meinungsäußerung gilt eben nicht nur für Meinungen, die uns sympathisch sind.“ An anderer Stelle haben wir bereits die Argumente dafür dargestellt, warum Meinungsfreiheit zwar grundsätzlich anzustreben ist und trotzdem andere politische Dynamiken uns als Antifaschist_innen oftmals dazu zwingen, ihr zuwider zu handeln. In Kurzform: wenn Akteure wie Götz Kubitscheks Antaios Verlag, Jürgen Elsässers Compact oder der Deutsche Stimme Verlag der NPD sich politisch durchsetzen, wird es viele Menschen geben, die sich über Meinungsfreiheit gar keine Gedanken mehr machen können: weil sie bereits abgeschoben, ermordet oder inhaftiert wurden. Hier geht es uns allerdings noch um ein weiteres verfehltes Argument auf Seiten der Frankfurter und Leipziger Buchmessen und ihrer liberalen Unterstützer_innen: die Idee, dass oben genannte Rechte innerhalb eines ‘demokratischen Diskurses’ ‘entzaubert’ werden könnten und der Kampf gegen diese mit den Mitteln der öffentlichen Debatte zu gewinnen sei.
Das, was seit dem Einzug der AfD in den Bundestag passiert ist, zeigt: nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein als diese Annahme. Seit die AfD in Fraktionsstärke im Bundestag ist, eine permanente Präsenz in den Medien hat und zahlreiche PR-Fachleute bezahlen kann, sind ihre Werte in den Wahlumfragen gestiegen. Weiterhin brechen Schritt für Schritt alle Dämme demokratischer Mindestandards: der AfD-Spitzenkandidat konnte sagen, wir sollten wieder Stolz auf die Handlungen der Wehrmacht im 2. Weltkrieg sein, ohne dabei irgendeinen öffentlichen Schaden zu nehmen. Zum politischen Aschermittwoch konnten die Rechtsausleger Höcke und Poggenburg in nationalsozialistischer Tonlage hetzen, ohne dass die AfD dabei Zustimmung verloren hätte. Und jüngst bekannte sich die AfD öffentlich zur Zusammenarbeit mit der Pegida-Bewegung. Ein Bekenntnis zu einer Praxis, die ohnehin bereits lange existierte. Jedoch verdeutlicht dieses, dass mit steigender öffentlicher Präsenz die AfD geringere Hemmungen hat, sich selbst zu solchen Akteur_innen zu bekennen, die in der liberalen Öffentlichkeit als “rechtsextrem” wahrgenommen werden.
Und es gibt noch einen viel verheerenderen Effekt der Anerkennung der Rechten als demokratische Diskursteilnehmer_innen: den Rechtsruck in allen anderen politischen Strömungen. Nur wenige Beispiele reichen, um diese These zu untermauern: Die Grünen, die in den Sondierungen bereit waren, die Obergrenze der CSU mitzutragen, eine CDU, die in Sachsen-Anhalt den unverkennbaren Faschisten André Poggenburg von der AfD zum Leiter einer Enquete-Kommission gegen „Linksextremismus“ macht, eine Linkspartei, deren Fraktionsvorsitzende im Bundestag keine Gelegenheit auslässt, nationalistische und rassistische Ressentiments zu bedienen und einen Verteilungskampf zwischen „Deutschen“ und Geflüchteten noch zu beschwören. Von Entzauberung keine Spur. Im Gegenteil: die Rechten sehen, dass sich ihre Forderung in konkreter Politik niederschlagen und fühlen sich motiviert, ihren politischen Weg fortzusetzen.
Die Wähler_innen der AfD sind keine naiven Opfer einer verführerischen Rhetorik. Im Gegenteil: Studien zu sogenannter „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ zeigen, dass bereits seit Jahren das Wähler_innenpotenzial für eine rassistische, sexistische und nationalistische Partei in Deutschland gegeben war. Dieses Potenzial löst die AfD nun ein. Wir sind nicht so optimistisch zu denken, dass wir diese Millionen von Unterstützer_innen des Rechtsrucks innerhalb kurzer Zeit von ihren politischen Ansichten abbringen können. Was wir aber können ist, eine politische Alternative zu Neoliberalismus und völkischem Nationalismus anzubieten. Dabei wollen wir die Gesellschaft nicht ob der harten Auseinandersetzungen versöhnen, wie es manch ein_e Politiker_in dieser Tage anmahnt. Im Gegenteil: wir wollen die Spaltung der Gesellschaft noch vertiefen und das gleich auf mehreren Ebenen. Einerseits zwischen denjenigen, die bereit sind anzuerkennen, dass alle Menschen die gleichen legitimen Lebensinteressen haben und diese auch verwirklichen können sollten und denjenigen, die eine Unterordnung und Kategorisierung von Individuen nach Nation, Kultur oder Rasse fordern. Andererseits muss sich unter denjenigen, die den Rechtsruck ablehnen, die Erkenntnis durchsetzen, dass nationalistische Krisenreaktionen Folge einer Gesellschaft sind, die auf universeller Konkurrenz und auf nationalstaatlicher Zersplitterung basiert. Wenn der Rechtsruck gestoppt werden soll, muss wieder über gesellschaftliche Alternativen zu Kapitalismus und Nationalstaat diskutiert werden. Um diesen näher zu kommen, ist eine transnationale Solidarität gegen Ausbeutung, Abschottung und patriarchale Unterdrückung notwendig. Wer stattdessen den Diskurs mit Rechten und Nazis als Lösung des Problems propagiert, hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Indem die Buchmesse Antaios, Compact, Deutscher Stimme und co. eine Bühne bietet, wird sie zum Teil des Problems. Wir hingegen werden unseren Teil dazu beitragen, dass der Rechtsruck nicht zur Normalität sondern zum Anlass harter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen wird.