Unser Redebeitrag auf der Demonstration zum Feministischen Kampftag 2017 in Leipzig. Englische Version unten! // Our speech on the the feminist fight day demonstration 2017 in Leipzig. English version below!
Liebe Genoss*innen,
im Angesicht des ungebrochenen Fortbestehens weltweiter patriarchaler Unterdrückung und dem Wiedererstarken regressiver Familien- und Frauenbilder haben wir uns heute zum internationalen Frauenkampftag versammelt. Patriarchat, das ist die Herrschaft der Männer über Frauen und alle, die nicht in das binäre Geschlechterverhältnis passen. Die binären Geschlechterkategorien sind herrschaftliche, gesellschaftliche Konstruktionen die in ihrer Starrheit aufgelöst werden müssen. Ohne auch die verschiedenen sozialen Realitäten von Frauen zu ignorieren wollen wir aber an der Kategorie Frau festhalten um Differenzen sichtbar zu machen, auf die wir uns im politischen Kampf beziehen müssen. Ohne die globalen Unterschiede gleichmachen zu wollen ist festzustellen: Es gibt noch keinen Ort auf dieser Welt, an dem das Patriarchat abgeschafft wurde und deswegen ist es notwendig heute auf der Straße zu stehen. Doch so notwendig es ist heute gegen die Herrschaft der Männer zu protestieren, so notwendig ist es auch uns zu fragen, wie wir diesen unerträglichen Zustand des Patriarchats ein für alle mal beenden können. Dafür müssen wir erstens die strukturellen Ursachen des Patriarchats unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise beleuchten und zweitens einen kurzen Blick in die Geschichte der Frauenbewegung werfen. Nur so können wir angemessen an sie anknüpfen und dafür sorgen dass ihre Kämpfe Früchte tragen werden.
Das Patriarchat gab es auch schon vor dem Kapitalismus aber nimmt unter ihm spezifische Formen an. Die Reproduktion der Arbeitskraft nach ihrer mehrwertschaffenden Aussaugung durch das Kapital ist ein grundlegender Bestandteil der Kapitalakkumulation. Im Kapitalismus schreibt sich vorkapitalistische patriarchale Herrschaft fort indem die reproduktiven Tätigkeiten zu Privatsache und zur Sache der Frauen erklärt werden. Die Einbindung der Frau in die Berufstätigkeit mündet für die meisten in der Doppelbelastung von Reproduktions- und Lohnarbeit, oder die Reproduktion wird anderen, sozial schlechter gestellten, meist migrantischen Frauen aufgehalst. Unter alleinerziehenden Teil Elternteilen ist die Überzahl weiblich, diese sind besonders schwer von diesen Verhältnissen betroffen. Wenig überrascht es, dass diese Familien am häufigsten von Kinderarmut betroffen sind. Frauen sind bis heute selten in Führungspositionen anzutreffen. Schlussfolgernd ist zu sagen dass das Kapital eine glückliche Ehe mit dem Patriarchat eingeht, indem es die Unterdrückung der Frauen auf vielfältige Weise nutzt. Aber auch die beschränkte Emanzipation der Frau kommt dem Kapital zugute wie das Problem der Doppelbelastung zeigt.
Die Frauenbewegung im Zuge der bürgerlichen Revolutionen seit Ende des 18. Jhds trat an, die bürgerliche Emanzipation der Frauen zu verwirklichen. Der Fokus lag hierbei vor allem auf der rechtlichen Gleichstellung der Frau und der Gewinn ihrer ökonomischen Unabhängigkeit vom Mann durch Integration in den Arbeitsmarkt. Das Thema der Frauenemanzipation war auch seit ihrem Entstehen in der Arbeiter*innenbewegung im 19. Jhd stark verbreitet. Der reformistische Flügel setzte primär auf Gesetzesänderungen, vertrat jedoch zum Teil auch reaktionäre Politiken: In Zeiten der Arbeitslosigkeit sollten Frauen besser die Hausarbeit machen damit sie den Männern nicht die Arbeit wegnähmen. Ein unser meiner Meinung ernstzunehmender Gegenentwurf war die proletarisch-revolutionäre Frauenbewegung. Der revolutionäre Flügel der Arbeiterinnenbewegung und ihre Protagonist*innen wie Clara Zetkin setzten sich zwar auch für rechtliche Gleichstellung wie z.B. das allgemeine und gleiche und Wahlrecht ein. Von einer grundlegenden Kapitalismuskritik ausgehend waren sie sich jedoch außerdem der Verwobenheit von Patriarchat und Kapitalismus bewusst: Für sie konnte die Frage nach der Befreiung der Frau nicht unabhängig von der Frage nach der sozialen Befreiung behandelt werden. So forderten sie eine revolutionäre Vergesellschaftung der Produktionsmittel und damit einhergehend, die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeiten. In einer kommunistischen Gesellschaft sollte die gesellschaftlich notwendige Reproduktionsarbeit eine allgemeine, gesellschaftlich anerkannte Tätigkeit, werden die unabhängig von Geschlecht von den Gesellschaftsmitgliedern ausgeübt werden sollte. Im Gegensatz zum Kapitalismus wo die Reproduktion nur das Mittel ist, die Arbeiterin für die Produktion fit zu machen ist, sollte die Produktion vielmehr Mittel zur Bedürfnisbefriedigung dh. zur Reproduktion sein. Auch der internationale Frauentag, für den wir heute hier sind, ist ein Produkt der revolutionären Frauenbewegung, er wurde auf der II. Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen 1910 ins Leben gerufen.
Sowohl die reformistische Arbeiter*innebewegung mit ihrem Anbiedern an Staat, Nation und Kapital als auch die die revolutionäre, kommunistische Bewegung mit ihren „realsozialistischen“ Versuchen im 20.Jhd. scheiterten. Letztere brachte mächtige autoritäre, patriarchale und unterdrückerische Regimes hervor, bei denen von einer emanzipatorischen Umwälzung des Produktionsprozesses nicht die Rede sein kann. Obwohl es hier anfangs wichtige Bestrebungen gab, waren die Länder des ‘real existierenden Sozialismus’ mindestens mit dem Stalinismus kein Hort feministischer Praxen. Die neuen sozialen Bewegungen und die studentisch geprägte neue feministische Bewegung konnte ab ´68 zur Theoriebildung und Entwicklung neuer feministischer Praxen sehr Wichtiges beitragen: Die Reflexion auf weiterbestehende patriarchale Herrschaft innerhalb linker Strukturen brachte die richtige feministische Ablehnung des Haupt-/Nebenwiderspruchsdenkens, also dass der Kapitalismus als Grundwiderspruch vor jeder feministischen Politik erst einmal beseitigt werden müsse, hervor. Neben und oft auch gegen den marxistischen Fokus auf die ökonomischen Aspekte der Einbindung des Patriarchats im Kapitalismus wurde eine Analyse und Kritik kulturell-symbolischer, sozialpsychologischer Aspekte des Patriarchats gestellt. Die theoretisch-praktischen Entwicklungen schreiben sich auch bis zum Entstehen der queeren Bewegungen und ihren Forderungen nach der Auflösung der Geschlechterbinarität und der umfassenden Solidarität der von den patriarchalen Strukturen betroffenen: Frauen, Lesben, Homo-, Inter- und Transsexuellen fort. Hierbei lauerte nur die Gefahr, dass materialistische Kritik vollständig unter die Räder geraten, und emanzipatorische Politiken sozialstaatlich eingehegt und neoliberal umgedeutet würden.
Was bedeutet das alles für uns heute? Wir denken dass wir sowohl an Forderungen der proletarisch-revolutionären Frauenbewegung, an seit den 68ern entwickelten Positionen als auch an Forderungen der jüngeren queeren Bewegung anknüpfen müssen. Die Forderung nach einer revolutionären Übernahme und Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der Reproduktionsarbeit sind von fundamentaler Wichtigkeit. Nur so können wir Patriarchat und Kapitalismus überwinden und die Frauenemanzipation im Besonderen und die des Menschen im Allgemeinen vorantreiben. Dabei muss das Versagen der kommunistischen Bewegung des 20. Jhds reflektiert und der Begriff der Vergesellschaftung mit neuem Inhalt gefüllt werden: er kann nicht Verstaatlichung heißen. Vielmehr stellt sich die Frage nach einer möglichst basisdemokratischen und planmäßigen Organisation der gesamten gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion mittels einer Produktionsweise, die auf Bedürfnisbefriedigung anstatt auf Kapitalakkumulation ausgerichtet ist und mittels Räten strukturiert sein könnte.
Weiterhin muss eine kommunistische Bewegung innerhalb ihrer bestehenden Strukturen feministische Praxen durchführen, Frauen empowern und Männer in die Schranken weisen, um somit ihre Prinzipien keine leeren Phrasen sein zu lassen, daran zu lernen und hiermit schon auf den Kommunismus verweisen. Feminismus kann nicht auf “nach der Revolution” vertagt werden!
Das Patriarchat ist nicht vollständig auf ökonomische Verhältnisse reduzierbar, ist in unseren Strukturen präsent und muss ständig reflektiert und bekämpft werden. Es muss uns außerdem um die stetige, theoretisch-praktische Hinterfragung der binären Geschlechterkategorien überhaupt gehen. Dies alles muss aber mit der Forderung nach Revolution einhergehen! Ein ernstzunehmender Feminismus muss kommunistisch sein, so wie eine ernstzunehmende kommunistische Bewegung feministisch sein muss.
Daher: Keine Revolution ohne Feminismus! Kein Feminismus ohne Revolution!
No Revolution without Feminism!
Dear comrades,
In view of the uninterrupted persistence of worldwide patriarchal oppression and the resurgence of regressive perceptions of women and family, we assemble today for the international womensday.
Patriarchy is men’s domination of women and everyone, who doesn’t fit into the binary gender ratio. The binary gender ratio is a dominating, social construction that needs to be dissolved in its rigidity. Without ignoring differing social realities of women, we want to hold on to the category “woman” here, in order to render visible the differences, we need to refer to in political battles. It can be observed – without equalising the global differences – that there is no place on earth, where patriarchy has been abolished. That is why taking to the streets today is a necessity.
Albeit the necessity of protesting against men’s domination today, it is also vital to ask the question, how the unbearable state of patriarchy can be ended once and for all. Therefor we firstly need to shed light on the structural causation of patriarchy under terms of capitalist production and secondly take a look at the history of the women’s movement. Only then we can tie in with them adequately and ensure, that these fights will bear fruit.
Though patriarchy has been existent before capitalism, it takes a specific form under the reign of capitalism. The reproduction of labour after its value adding exhaustion through the capital is a fundamental component of capital accumulation. Under capitalism, pre-capitalist patriarchal dominance continues by declaring reproductive tasks as women’s private affair. The involvement of women in work occupation mostly leads to a double burden of reproduction tasks and paid labour, or other, socially disadvantaged, mostly migrant women are being saddled with the reproduction tasks. Amongst single parenting parents, the majority is female. They are especially affected by these circumstances. It doesn’t come as a surprise, that their families are affected by child poverty most often. Until today, in leading positions you seldom come across women.
Inferentially it can be said, that capital enters a successful marriage with patriarchy, through profiting from the oppression of women in various ways. Even the constrictive possibilities for emancipation benefit the capital, as the problem with the double burden shows.
The women’s movement in the course of civil revolution since the end of the 18th century, advocated the realisation of women’s civil emancipation. Hereby they focused mainly on the legal equalisation of women and the gain of their economic independence from men through integration into the work sphere. The topic of women’s emancipation was widespread since its formation in the labour movement in the 19th century. The reformist wing built primarily on legislative change, but also represented reactionary politics: in times of unemployment women should do the (unpaid) domestic work in order to not take away work from men.
A serious alternative draft, in our opinion, was the proletarian-revolutionary women’s movement. The revolutionary wing of the female labour movement and its protagonists, such as Clara Zetkin, fought for legal equalisation – for example the general and equal voting right – as well. But additionaly they were aware of an entanglement of patriarchy and capitalism, due to their underlying critique of capitalism: To them, the topic of women’s liberation couldn’t be handled independently of the topic of social liberation. Thus, they demanded a revolutionary collectivisation of the means of production accompanied with the collectivisation reproductive work.
In a communist society, socially required reproductive work should be a common, socially approved task that would be performed by all society members regardless their gender. Contrary to Capitalism, where reproduction is just a means to an end in order to prepare workers for production, the production should be a mean for the satisfaction of needs that is to say for reproduction.
The international womensday, for which we assemble today, also is a product of the revolutionary women’s movement, it was brought into being on the second international conference of socialist women in 1910. The reformist workers movement, chumming up to state, nation and capital, as well as the revolutionary communist movement with their “real socialist” approaches in the 20th century failed.
The latter generated powerful authoritarian, patriarchal and oppressing regimes, where there could be no talk of emancipatory overthrow of the production process. Although there where important attempts, the countries of “real existing socialism” leastwise with Stalinism, where no breeding ground for feminist practice. The new social movements and the mainly student-based new feminist movement contributed crucial aspects to developing new feminist theory and practice since ’68: Reflecting on continuing patriarchal domination in left political structures, the subdivision of main- and side contradictions was rejected by feminists, meaning that capitalism as “main contradiction” didn’t need to be eliminated first, before there could be any feminist politics.
Besides and often against the Marxist focus on economic aspects of the involvement of patriarchy in capitalism, an analysis and critique of cultural symbolic and social psychologist aspects of capitalism was established. These theoretical-practical developments continue until the formation of queer movements and their demand to dissolve gender binary and the demand for complete solidarity with everyone who is negatively affected by patriarchal structures: Women, lesbians, homosexual, inter- and transsexual.
This, however, bears the danger of dropping materialistic critique completely and reinterpreting emancipatory politics in a neoliberal fashion. What does all of that imply for us today? We think that there is a need to tie in with the demands of the proletarian-revolutionary women’s movement and the since the 68th developed positions as well as the demands of the more recent queer movements.
The demand for a revolutionary takeover and collectivisation of capital goods as well as reproductive tasks is of fundamental importance. Only then, we can overcome patriarchy and capitalism and bring forward women’s emancipation in particular and emancipation of humankind in general.
The failing of the communist movement of the 20th century thereby needs to be reflected and the term collectivisation needs to be filled with new content: it mustn’t be defined as nationalisation in a sense of state property. Rather, the question for an organisation of the whole social production and reproduction that is as grassroot-democratic as possible needs to be asked. This needs to be done through a way of production that focusses on need satisfaction instead of capital accumulation, and could possibly be structured in councils. Furthermore, a communist movements needs to have feminist practice in their existing structures, empower women and put men in their place in order for their principles to be more than just empty phrases, to learn from it and point towards communism. Feminism mustn’t be postponed until “after the revolution”!
Patriarchy can’t be reduced to economic conditions completely, it is present in our structures and needs to be reflected and fought constantly. Furthermore, we need to strive for a constant theoretical and practical scrutiny of binary gender categories in general. All of that needs to be combined with the demand for revolution! A serious feminism must be communist, as well as a serious communist movement must be feminist!
Thus: No revolution without feminism! No feminism without revolution!