Am 12. Dezember wollen verschiedene rechtsradikale Organisationen einen “Sternmarsch” in der Leipziger Südvorstadt und Connewitz durchführen. Neben der “Offensive für Deutschland” um ex-LEgIdA-Chef Silvio Rösler mobilisiert vor allem die der Kameradschaftsszene nahe stehende Partei DIE RECHTE. Letztere ruft auf, sich unter dem Motto “Für Frieden und Völkerfreundschaft” zu sammeln. Auf ihren Plakaten für den Aufmarsch ist ein Transparent mit dem Konterfei des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu sehen. Auf einem der verbreiteten Layouts sind überdies Landesflaggen des Iran, von Venezuela, Syrien, Palästina, Cuba sowie die schwarz-weiß-rote deutsche Reichsflagge abgebildet. Die Ansage ist klar: man fordert eine Querfront, die von Staaten mit autoritär-linken Regierungen wie Cuba oder Venezuela bis hin zu antisemitischen Regimes wie dem des Iran. Die grafische Einreihung der deutschen Reichsflagge in die Achse der vermeintlich antiimperialistischen Staaten soll anscheinend symbolisieren, dass man das Großdeutsche Reich gegen den “US-Imperialismus” wieder auferstehen lassen möchte. Im Zentrum des Ganzen steht dann die “Arabische Republik Syrien”. Ein autoritär-nationalistisches Regime, dass linke und ethnische Minderheiten verfolgt, jegliche Opposition mit mörderischen Mitteln unterdrückt und den jüdischen Staat Israel lieber gestern als heute von der Landkarte getilgt sehen würde. Im Vorgehen der Partei DIE RECHTE steckt somit eine dreifache Provokation. Zunächst kündigen sie eine Demonstration in einem der bekanntesten linken Kieze in der BRD an, im Weiteren provozieren sie mit einer vermeintlichen Überschneidung mit linken Inhalten und schließlich ist ihre Mobilisierung ein Schlag ins Gesicht all jener, die vor Terror-Regimes wie dem syrischen oder dem iranischen hier hin geflohen sind.
*Keine Solidarität mit dem syrischen Regime!*
Tatsächlich sind einige Positionierungen innerhalb der deutschen Linken anschlussfähig für Querfront-Versuche. Der aus DDR-Zeiten entlehnte Begriff der “Völkerfreundschaft” macht nicht umsonst die “Völker” als ganzes – und nicht die unterdrückten Menschen – zu Subjekten der gegenseitigen Solidarität. Und auch heute gibt es Linke, die das faschistoide Assad-Regime gegen den “US-Imperialismus” verteidigen wollen. Die Aufstände gegen die Regierung im Rahmen des “Arabischen Frühlings” im Jahr 2011 erscheinen aus dieser Perspektive als vom Imperialismus gesteuerte Bewegungen zur Entmachtung legitimer Regierungen. So schreibt besipielsweise die SDAJ: “Um sich der unliebsamen Assad-Regierung zu entledigen, unterstützten die sogenannten ‘Freunde Syriens’, zu deren Führungsgruppe neben Deutschland und Frankreich auch solche lupenreinen Demokratien wie Saudi-Arabien oder Katar gehören, seit 2011 bereitwillig die von Beginn an durch die islamistische Muslimbruderschaft geprägten Aufstände in ländlichen Regionen Syriens”. Bei aller notwendigen Kritik an der nachweislichen Unterstützung jihadistischer Kräfte durch NATO-Staaten: der Aufstand gegen das Ba’ath-Regime war und ist legitim und ist mitnichten von Islamist_innen initiiert worden, sondern von Menschen diverser politischer Richtungen und sozialer Milieus, die nicht mehr unter der Herrschaft eines totalitären Regimes leben wollten. Der Versuch, die Probleme der Welt einseitig in den Interessen der USA und ihrer Verbündeten auszumachen, muss scheitern, da eine Einteilung der Welt und der in ihr befindlichen Staaten in gut (antiimperialistisch/antikapitalistisch) und schlecht (imperialistisch/kapitalistisch) die Komplexität der Wirklichkeit auf ein dualistisches Weltbild reduziert. Auch in vermeintlich antiimperialistischen Staaten herrschen aufgrund staatlicher Herrschaft und Kapitalverhältnis Gewalt und Ausbeutung vor; dies wird seitens antiimperialistischer Linker jedoch gern ausgeblendet. Und vor allem wird dabei übersehen, dass der arabische Nationalismus kein legitimer Antiimperialismus, sondern eine reaktionäre Bewegung zur kapitalistischen Modernisierung ist. Dies meint die historische Entwicklung der arabischen Nationalismen als politische Reaktion zur Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse und fordistischer Produktionsweise in ehemals kolonialisierten Ländern.
*Gegen Nazis, Jihadismus und Ba’athismus – Für einen internationalen Antinationalismus!*
Das Assad-Regime ist aus einem Putsch des rechten Flügels der Ba’ath-Partei gegen die Parteilinke hervorgegangen. Es hat Kommunist_innen ins Gefängnis gesperrt und eine Politik der “Arabisierung”, die bis hin zur Ausbürgerung von Teilen der kurdisch-syrischen Bevölkerung ging, zu verantworten. Heute werden Städte und Viertel, in denen die demokratische Opposition stark ist, mit Fassbomben angegriffen. Tausende Jihadist_innen wurden mit Beginn der Aufstände aus den Gefängnissen des Regimes entlassen und weder die Islamist_innen von al-Nusra noch der IS wurde vom Regime militärisch bekämpft. Das Kalkül: die demokratische Opposition mit Hilfe der Jihadist_innen zerschlagen, um dann den eigenen Machterhalt als “Kampf gegen den Terror” zu proklamieren. Entgegen den Behauptungen mancher deutscher Linker ist die syrische Opposition eben nicht vom Westen unterstützt worden. Syrische Aktivist_innen beklagen im Gegenteil, von Europa und den USA im Stich gelassen worden zu sein. Deren Vorgehen ist nur auf eines ausgerichtet: die auf Nationalstaatlichkeit beruhende kapitalistische Weltordnung um jeden Preis stabil zu halten. Wir sind weder der Ansicht, dass vorrangig militärische Interventionen und Waffenlieferungen seitens eingreifender Staaten, noch dass Pazifismus und die Anerkennung von Kräften wie dem syrischen Regime oder dem IS, wie dies Teile der deutschen Friedensbewegung fordern, eine adäquates Medium im Rahmen dieses Konflikts darstellen können. Wir denken, dass vor allem die Solidarität mit emanzipatorischem Widerstand gegen die Verhältnisse im Nahen Osten Aufgabe der radikalen Linken sein muss. Mit emanzipatorischem Widerstand meinen wir all jene Menschen in Syrien, die – bewaffnet oder nicht – für eine Gesellschaft befreit von Assad-Regime und Islamismus einstehen, die sich nicht entlang ethnischer, konfessioneller oder geschlechtlicher Linien spalten lassen. Und selbstverständlich sind wir solidarisch mit allen, die vor Diktatur und Terror fliehen mussten und sich nun dem deutschen Abschiebestaat, den Nazis und dem völkischen Mob ausgesetzt sehen.
Kundgebung: 12.12.2015 – 11:00 – Kurt-Eisner-Straße Ecke Karl-Liebknecht-Straße – Leipzig