Im folgenden Dokumentieren wir unseren Redebeitrag, den wir auf der Demonstration am 4. November in Jena gehalten haben:
Liebe Antifaschist_innen, das Aufdecken des organisierten rechten Terrors der späten 90er und 2000er, die Jährung der Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und diversen anderen Orten der wiedervereinten Bundesrepublik, das Erstarken neonazistischer Organisationen in den unter der Sparpolitik der EU am meisten leidenden Ländern und wahrscheinlich so vieles mehr, hätten dazu führen können, dass ein „Ruck“ durch die deutsche Gesellschaft geht in Form einer kritische Reflektion über den deutschen Patriotismus. Sie hätten reden können über 1. das nationalsozialistische Erbe bzw. seine Verdrängung, die bis heute insofern erfolglos geblieben ist, dass es traumahaft immer wieder zum Vorschein tritt! Und in diesem Kontext: 2. das neue deutsche Nationalgefühl als Folge des deutschen Wiedervereinigungsprozesses und der deutschen Machtpolitik! sowie über 3. die Ursprünge rassistischen Denkens überhaupt! Das Lostreten eines solchen Prozesses wäre die Gesellschaft den Opfern des rechten Terrors mindestens schuldig gewesen, obschon ihre Schuld ohnehin nicht adäquat ausgeglichen werden kann. Doch da von gesellschaftlicher Emanzipation nach wie vor keine Rede sein kann, kam es anders bzw. passierte vielmehr überhaupt nichts.
Die deutsche Gesellschaft lieferte vielmehr eine üblich-peinliche Darbietung ihres Normalzustandes. Es erscheint so als ob sich die Geschichte, der Kreislauf der Schuldabwehr und Ignoranz, die alte Scheiße, wiederholt. In den Äußerungen der Politik und der Medien im Zusammenhang mit den Untersuchungen zur Verfassungsschutz-Affäre scheint es vielmehr an dem Versagen der Behörden zu liegen, die nun dieser Logik folgend mehr Kompetenzen erhalten soll. Dabei lasst uns an dieser Stelle feststellen: Es ist, erstens, der Verfassungsschutz selbst, der über sein System der V-Leute den braunen Terror selbst mit finanziert hat. Es war zweitens auch er selbst, der die Aufklärung der Morde – wir erinnern uns an Aktenschreddern und Co. – maßgeblich behindert hat. Und drittens, der Neonazismus und gesellschaftliche Rassismus ist kein ordnungspolitisches Problem, sondern ein Gesellschaftliches.
Werden wir uns künftig nicht über die wahren Hintergründe des Rassismus im Kontext einer kritischen Analyse der Gesellschaft verständigen, so wird nicht nur das Bürgertum der Städte Leipzig und Jena, sondern auch die Bevölkerung der Bundesrepublik weiterhin immer dann überrascht sein, wenn Neonazismus in seiner gewalttätigen Form auftritt. Eine Empörung über anderes Auftreten des Rassismus, wie in den Handlungen der Politik übersteigert das Empathievermögen des durchschnittlichen Bundesbürgers. Es gibt nur leere Empörung als Reaktion auf Gewalt. Nur die wenigstens werden sich dieser erinnern, wenn das nächste Asylbewerberheim brennt. Die Wahrnehmung zu zerstückelt, ohne Bewusstsein des Gesamtzusammenhangs und jeder Überfall ein bloßer Einzelfall!
Wir wollen an dieser Stelle zusammengefasst unserer Analyse von Rassismus anbieten:
Bei der Betrachtung des Phänomens Rassismus in der Bundesrepublik müssen zwei Ebenen theoretisch getrennt werden, diese Differenzierung muss Auswirkungen auf eine antirassistische Praxis haben. So gibt es auf der einen Seite die Praxis des bürgerlichen Staates und auf der anderen den zügellosen Mob beziehungsweise Gruppierungen, die aus ihm hervorgehen.
Es ist die notwendige Aufgabe des bürgerlichen Nationalstaates die Eigentumsverhältnisse, das Interesse der nationalen Ökonomie mit seinem Gewaltmonopol durchzusetzen. Denn vom Erfolg der nationalen Ökonomie hängt auch die Existenz des Staats ab.
Er sorgt aus diesem Grund für eine ausreichende Zahl preiswerter Arbeitender. Deswegen handelt er nur dem Schein nach inkonsequent, wenn er in ökonomischen Wachstumszeiten oder bei einer Marktnachfrage nach bestimmten Berufen, die Türen öffnet – andererseits in schlechteren Zeit Einwanderung repressiert.
Denn problematisch wird Einwanderung und Asyl in Zeiten der Rezession oder Krise, wenn die Sozialsysteme aus Sicht des Staates zu sehr strapaziert werden, wenn also des Überangebotes an der Ware Arbeitskraft die Reservearmee zu sehr anwächst. In dieser Situation muss der Staat zu sanktionierenden Mitteln greifen, um den Zuzug derer zu stoppen, die für ihn nur unverwertbare Faulenzer sind, zu stoppen. Denn die Rationalität nationalstaatlicher Praxis liegt im Erhalt des Standorts. Er behandelt Menschen nach ihrer Verwertbarkeit unter seinen ökonomischen Bedingungen. Er schiebt also auch Menschen ab, schickt sie zurück in Kriegsgebiete, sperrt sie ein, diskriminiert sie im Namen des Volkes.
Die Rechtmäßigkeit des Staates als Garant des Allgemeinwohls wird durch die gemeinsame Geschichtserzählung des jeweiligen Staatsvolks begründet. Diese Ideologie der staatlichen Gemeinschaft gehört notwendig zum bürgerlichen Staat, weil er über die sich widersprechenden ökonomischen Interessen der im permanenten Konkurrenzkampf vereinzelten Bürger hinwegtäuschen muss, um das Auseinanderbrechen der Gesellschaft zu verhindern und den kapitalistischen Normalvollzug durchzusetzen. Arbeit und Leistung fordert diese notwendig in den Verhältnissen fußende Ideologie, der im Nationalstaat verwalteten und in der kapitalistischen Produktion ausgebeuteten Menschen, ein.
Diese gemeinschaftsstiftende Ideologie wird von den sozialen Institutionen, wie der Schule verbreitet, und von den Staatsbürgern reproduziert, was für alle die sich dem Arbeits-, und Leistungszwang nicht unterordnen wollen oder können, nicht nur rechtliche sondern auch soziale Sanktion bedeutet. Durch diese Gemeinschaftsideologien erscheint die Selektion in Staatsbürger_innen und Nichtstaatsbürger_innen als natürlich und die Abgrenzung nach Außen wird durch Lohn/- und Arbeitsmarktpolitik auch ideologisch notwendig.
Der Mob sieht in seiner zum Teil selbst vom sozialen Abstieg bedrohten und Lage Zugewanderte als Konkurrenten um die wenigen vorhandenen Jobs oder um soziale Leistungen. Er sieht sich als diesem von Kapital und Staat geschaffenen Kollektiv zugehörig an, so fordert er in seiner ideologischen Zurichtung mehr Anspruch auf Arbeit und Sicherheiten als Zugewanderte. Das eigene Scheitern in der kapitalistischen Konkurrenz, die alltäglichen Zwänge von Arbeit und Leistungsgesellschaft, generieren bei einem Teil der sozialabsteigenden Deutschen mit seiner Unfähigkeit zur Kritik und Selbstkritik den Hass auf das Andere.
Die andere Hautfarbe der verhassten Person, dienen dem werdenden Brandstifter_innen innerhalb des Mobs nur als Projektionsfläche der eigenen verdrängten Bedürfnisse und der verdrängten Unfähigkeit zur Anpassung an den verwalteten Kampf ums Dasein. Doch selbst diese Sehnsüchte sind nicht mehr die eigenen, die wirklichen des verweigernden Subjekts, sondern die Widerspiegelung seiner Stellung in der kapitalistischen Gesellschaft. Es reproduziert sie unerkannt.
In ihrer Irrationalität glauben die Mörder die Identität der Gemeinschaft wiederherzustellen. Ihre Ideologie hat sich gegenüber der staatlichen Praxis verselbstständigt. Als Einzelner setzt er seine bloße Meinung als das allgemeingültige, jedoch ohne dabei den Staat zu negieren, sondern vielmehr um ihn anzurufen.
So nützt es nichts nur mit einer korrekten Sprache die verbale Äußerung rassistischer Denkweise aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Auch wird Rassismus nicht dadurch ausgelöscht, höchstens noch unplausibler, wenn man die sogenannten “fremde Kulturen” besser kennen lernt. Das würde bedeuten, dass die Quelle des Rassismus darin liegt, dass die bunten Völkchen dieser Welt sich in ihrer Verschiedenheit nicht zu schätzen wissen, und damit wieder eine Ungleichheit unter den Menschen konstruieren.
Für eine klare Bestimmung des Begriffes Rassismus, ist es wichtig ihn als Teil des Ganzen zu erfassen. Das bedeutet eine Absage an solche Kräfte die Rassismus in beliebiger Weise verselbständigen.
Es ist notwendig die Bedingungen der von Rassismus Betroffenen in dieser Welt zu verbessern, die Opfer zu ihrem Recht in der Gesellschaft kommen zu lassen. Doch ist es diese Gesellschaft in ihrer Form die rassistisches Denken hervorbringt. Das Ziel den Kapiltalismus als Ganzes zu zerstören muss mitgedacht bei jeglicher Äußerung von Radikalität.
Daher muss unser Appell lauten: Nie wieder Deutschland und für den Kommunismus! The future is unwritten…