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Der NSU-Prozess und der staatsanwaltschaftliche Umgang mit rechter Gewalt

Wir mobilisieren zum Tag X (→ das Datum ist noch nicht bekannt) der Urteilsverkündung im NSU-Prozess nach München! Dort wollen wir uns einer gemeinsamen Demo vieler Gruppen von Rassismus betroffener und antirassistischer Organisationen anschließen. Es gilt zu verhindern, dass mit dem Ende des Prozesses ein Schlussstrich unter die Verbrechen des NSU gezogen wird. Längst ist nicht alles aufgeklärt und das Problem des Rechtsterrorismus und des institutionellen Rassismus bleibt bestehen. Im Rahmen Mobilisierung nach München laden wir zu folgender inhaltlicher Veranstaltung ein.

Vortrag und Diskussion mit Isabella Greif und Fiona Schmidt

12. April 2018

19:30 Uhr

Poege Haus – Hedwigstraße 20 – Leipzig

Angesichts der nahenden Urteilsverkündung im Münchner NSU-Prozess gibt es mehr Fragen als Antworten zum NSU-Komplex. Das Netzwerk des NSU, die Rolle staatlicher Behörden und die Auswirkungen der Taten und rassistisch geführten Ermittlungen für die Geschädigten und Angehörigen der Ermordeten waren kaum Gegenstand. Dass dem so ist, liegt zu großen Teilen in der Verantwortung der Bundesanwaltschaft. Als oberste Strafverfolgungsbehörde hat sie im NSU-Prozess eine äußerst wichtige Rolle inne. Sie vertritt zum einen die Bundesrepublik Deutschland als Geschädigte des NSU, zum anderen die Anklage und leitet die Ermittlungen. Frühzeitig hat sie sich auf die These eines ‘isolierten Trios’ mit nur wenigen Unterstützer_innen festgelegt. Die Rolle und das Wissen staatlicher Sicherheitsbehörden wie dem Verfassungsschutz und seiner der Naziszene angehörenden V-Personen wurde so explizit einer strafrechtlichen Aufklärung entzogen. Es besteht ein zentraler Konflikt zwischen den Erwartungen der Nebenkläger_innen an die Aufklärung des NSU-Komplexes und staatlichem Selbstschutz im Prozess.
Die Autorinnen diskutieren am Beispiel der Ermittlungen zum NSU-Komplex, welche institutionellen Strukturen den staatswissenschaftlichen Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt prägen und welche strukturellen Defizite sich daraus ergeben, die es Behörden wie der Bundesanwaltschaft ermöglichen, die Rolle staatlicher Sicherheitsbehörden einer strafrechtlichen Aufklärung zu entziehen.

Isabella Greif / Fiona Schmidt: Staatsanwaltschaftlicher Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt. Eine Untersuchung struktureller Defizite und Kontinuitäten am Beispiel der Ermittlungen zum NSU-Komplex und dem Oktoberfestattentat. WeltTrends Verlag Potsdam 2018.