Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag von der Demonstration »Den III. Weg zerschlagen!« am 17. Dezember 2016 in Plauen. Weitere Inhalte der Demonstration könnt ihr bei den Antifaschistischen Gruppen des Vogtlands nachlesen (1, 2).
„Wir sind Deutschland“ und der Rückkehr des Völkischen entgegentreten!
Liebe Plauener_innen,
wir wissen, was ihr letzten Winter getan habt. Zumindest eine bedeutende Minderheit von euch. Bis zu 5000 von den knapp 65.000 Einwohner_innen haben sich an den Kundgebungen und Demonstrationen von „Wir sind Deutschland“ beteiligt.
Was sich harmlos als offenes Forum für alltäglich Sorgen und Nöte von Bürger_innen präsentierte, war faktisch der Versuch einer völkischen Querfront von offenen NS-Aktivist_innen bis hin zu vermeintlich linken und friedensbewegten Verschwörungstheoretiker_innen wie Ken Jebsen. Dem mit besten Kontakten in das rassistische und neonazistische Spektrum ausgestatteten Aktivisten der „Friedensbwegung Halle“ Frank Geppert wurde ebenso eine Bühne geboten wie der NS-Aktivistin Conny Arnold aus Rodewisch. Themen der Veranstaltungen, die von September 2015 bis April 2016 stattfanden waren klassisch „linke“ Themen wie Waffenexporte, soziale Ungerechtigkeit und Probleme der repräsentativen Demokratie. Allerdings wurden diese immer mit antiamerikanischen, antisemitischen und rassistischen Erklärungsmustern verbunden. Rednerin Susanne Mai erklärte dem interessierten „Wir sind Deutschland“-Publikum, es gebe „verzweifelte Versuche von diversen Gruppen, ihre Macht über uns Menschen zu erhalten“. Ihre Forderung: „die Manipulatoren sollen ihre Plätze verlassen“. Auch wenn die konkrete Benennung des Jüdischen peinlich genau vermieden wurde, ist offensichtlich, in welche Richtung Mais Argumentation und die vieler anderer Redner_innen ging. Was den Rassismus betrifft, so wurde dieser oftmals verharmlost, in dem er als Sorge von engagierten Bürger_innen deklariert wurde. Doch auch „Wir sind Deutschland“-Moderator Gunnar Gemeinhardt wurde mehr als deutlich, als er auf der Bühne sagte: „Diese Herren ziehen hier durchs Land, sind ja nur Herren, kommen mittlerweile ohne Ausweise über die Grenze und werden keine deutschen Gesetze beherzigen“.
Doch die Masche von „Wir sind Deutschland“ ging auf. Während man ähnliche Inhalte wie Pegida oder Legida verbreitete, gab es keinen bürgerlichen Gegenprotest auf der Straße. Im Gegenteil. Die völkisch-rassistischen Kundgebungen erhielten Rückendeckung von ganz oben. Kreisrat Sven Gerbeth von der FDP trat bei einer der völkischen Kundgebungen auf. Und auch Superintendentin Ulrike Weyer legitimierte die Rassist_innen mit einer Rede auf der WsD-Bühne. Dem Ganzen setzte Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer von der FDP die Krone auf. Er befürwortete „Wir sind Deutschland“ gar in der überregionalen Presse und verglich die Veranstaltungen mit den Demonstrationen gegen die SED-Regierung Ende der 80er Jahre.
Nach einem Aufzug im April beendete „Wir sind Deutschland“ die öffentlichen Versammlungen in Plauen. Der Spuk ist damit jedoch noch lange nicht vorbei. Einige frühere WsD-Protagonist_innen wie zum Beispiel Andreas Müller haben sich mittlerweile mit Aktivist_innen der NS-Kaderpartei „Der III. Weg“ zusammengetan und organisieren rassistische Demonstrationen im ganzen Vogtland unter dem Label „Wir für unser Vogtland“. Das Konzept „Wir sind Deutschland“ hingegen fruchtet derweil in anderen sächsischen Orten: in Bautzen beteiligen sich WsD-Aktivist_innen an Veranstaltungen des „Bautzener Frieden“, bei denen das Spektrum der Redner_innen ebenfalls von bekennenden Nationalsozialisten bis hin zu Querfront-Aktivisten wie Daniele Ganser reicht. Und auch dort hat WsD Erfolg in der bürgerlichen Mitte: erst im Dezember 2016 konnte man 35.000 eigene „Wir sind Deutschland“-Zeitungen als Einleger im regional anerkannten „Wochenkurier“ verbreiten.
Liebe Plauener_innen,
wir wissen, was ihr letztes Frühjahr getan habt. Zumindest eine kleine Minderheit von euch. Zusammen mit vielen überregional angereisten Antifas, Nazi-Gegner_innen und Antirassist_innen habt ihr euch einem Aufmarsch des bereits erwähnten „III. Weg“ in den Weg gestellt und mit zur chaotischen Selbstauflösung der Nazi-Demo beigetragen. Die linksradikale Demonstration „Für einen emanzipatorischen Antikapitalismus“ konnte ihre Versammlung am Kundgebungsort des „Aktionsbündnis Vogtland gegen Rechts“ beenden und dort in einer eigenen Rede den völkischen Konsens bis hin zur Plauener Stadtverwaltung kritisieren. Trotz der völkischen Doppelzange aus NS-Kaderorganisationen und Rechtsterrorismus auf der einen Seite und völkischen Massenbewegungen und einer rassistischen Kommunalpolitik auf der anderen Seite gibt es einige Menschen unter euch, die aktiv eine emanzipatorische Politik verfolgen. Lasst uns genau dort weiter ansetzen. Lokale, regionale und überregionale Vernetzung der Menschen und politischen Kräfte, die den völkisch-rassistischen Konsens brechen wollen. Denn die Antwort gegen Rassismus ist nicht Dialog, sondern der gemeinsame Kampf für eine Gesellschaft jenseits von Ausbeutung, Ausgrenzung und Unterdrückung!