Liebe Antifaschist*innen und Genoss*innen<\/span>,<\/strong><\/p>\nes f\u00fchrt kein Weg drum herum: Wir m\u00fcssen heute, am 1. Mai 2016, den Nazis vom \u201eDritten Weg\u201c den Tag versauen. Die v\u00f6lkische Ideologie und das aus ihr resultierende Handeln sind menschenverachtend. Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Hunger gefl\u00fcchtet sind, J\u00fcdinnen und Juden, Homosexuelle, Nicht-Wei\u00dfe, Menschen mit Behinderung, Linke, alle als “anders” Definierte: Sie alle werden heute bedroht, sie alle sind in Gefahr. Die Leute, gegen die wir heute protestieren, stehen in der Tradition des Nationalsozialismus, einer Gesinnung und Bewegung, die vor kaum 80 Jahren schon ihr unfassbar grauenhaftes Potential entfaltete. Es muss unser Bestreben sein, diese Gesinnung & Bewegung f\u00fcr immer verschwinden zu lassen. Deswegen darf ihr \u00f6ffentliches Auftreten nicht unbeantwortet bleiben. Doch so notwendig es heute ist zu protestieren, so notwendig ist es auch uns zu fragen, wie wir diesen unertr\u00e4glichen Zustand, dass es immer noch Nazis gibt, ein f\u00fcr alle mal beenden k\u00f6nnen. Daf\u00fcr m\u00fcssen wir erst den Zusammenhang verstehen, der diese Leute dazu treibt, ihre menschenverachtende Ideologie auf die Stra\u00dfe zu tragen. <\/p>\n
Der 1. Mai…<\/span> <\/strong><\/p>\nDer 1.Mai ist eigentlich ein traditioneller Tag der linken bzw. linksradikalen Bewegung. Ende des 19.Jhds. versuchte die nordamerikanische Arbeiterbewegung den 8-Stundentag mittels Massenstreiks durchzusetzen, wof\u00fcr sich am ersten Mai 1886 Arbeiterinnen und Arbeiter auf dem Chicagoer Haymarket versammelten. Im weiteren Verlauf der Ereignisse wurden die Proteste brutal niedergeschlagen und politische Aktivisten festgenommen und zum Tode verurteilt. Auf dem Gr\u00fcndungskongress der Zweiten Internationale wurde zum Gedenken an die Opfer des Haymarket Riot der 1.Mai als \u201eKampftag der Arbeiterbewegung\u201c ausgerufen. Daraufhin wurde er zum\u201eProtest- und Gedenktag\u201c mit Massenstreiks und Massendemonstrationen in der ganzen Welt.<\/p>\n
…und die Nazis<\/span> <\/strong><\/p>\nDie Nazis, die bei ihrer Machtergreifung alle traditionellen Institutionen der Arbeiterbewegungen entmachteten, deuteten den fr\u00fcheren Kampftag der internationalen Arbeiterklasse national um. Sie erkl\u00e4rten den 1. Mai zu einem gesetzlichen Feiertag, den \u201eTag der nationalen Arbeit\u201c. Warum nahmen sich die Nazis \u00fcberhaupt dieser eigentlich klassisch linken Themen an, und entstellten diese? Es ist kein Zufall dass das Wort Sozialismus im Wort Nationalsozialismus steckt. In dem Bezug auf den Sozialismus steckt ein antikapitalistisches Bed\u00fcrfnis, dass ein notwendiger Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie ist. Dies ist auch heute plastisch sichtbar. Die Nazis des \u201edritten Wegs\u201c benutzen Spr\u00fcche wie “Damals wie heute…Arbeiter im Kampf gegen das System” und rufen zum heutigen Tag unter dem Motto: \u201eKapitalismus zerschlagen \u2013 f\u00fcr einen Deutschen Sozialismus!” auf. Die unter den kapitalistischen Verh\u00e4ltnissen verk\u00fcmmernden Subjekte setzen ihre \u00c4ngste und Bed\u00fcrfnisse hierbei in menschenverachtende Ideologien um, die mit dem vorgeblichen Antikapitalismus verbundenen werden: Antisemitismus, Rassismus, Biologismus, Sozialdarwinismus. Dem Elend und der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus wird eine vermeintliche Krisenl\u00f6sungsstrategie entgegengesetzt: Der rassistische Bezug auf ein vermeintlich nat\u00fcrlich gewachsenes Volk, und die Errichtung eines rassistischen Volkstaats; die Einebnung und vermeintliche Vers\u00f6hnung der sozialen Widerspr\u00fcche und Ungleichheiten und die vorgebliche Aufhebung der Vereinzelung und der allseitigen Konkurrenz in der gro\u00dfen Imagination: der naturgegebenen Volksgemeinschaft; der imperialistische, aggressive Drang zur Weltherrschaft der eigenen sogenannten Rasse; der wahnhafte Hass und der Vernichtungswunsch gegen\u00fcber dem angeblich j\u00fcdischen Finanzkapital, der vermeintlichen Quelle des kapitalistischen \u00dcbels. Dieser, von Wahn durchdrungene \u201enationale Sozialismus\u201c, stellt objektiv betrachtet gar keinen Antikapitalismus dar. Eine vollst\u00e4ndige Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln haben die Neo-Nationalsozialisten genauso wenig im Sinn wie eine Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise. Vielmehr werden hier Konflikte, die durch kapitalistische Konkurrenz und Leistungsprinzip entstehen, zu Auseinandersetzungen zwischen vermeintlichen Kulturen und V\u00f6lkern gemacht. Das Ziel der Nazis vom 3.Weg ist dabei ein staatlich gelenkter Kapitalismus in einem autorit\u00e4ren blutsdeutschen Volksstaat, der in einer globalisierten Welt die deutschen Pfr\u00fcnde sichern soll. Weil aber das v\u00f6lkische Spektrum vermeintlich kapitalismuskritische Phrasen bedient und dem bestehenden Elend mit einer vorgeblich krisenl\u00f6senden Strategie begegnet, erfahren Nazis immer wieder Zulauf. Die v\u00f6lkische Ideologie ist hierbei mit den Ideologien des B\u00fcrgertums verwoben. So pushen b\u00fcrgerlicher N\u00fctzlichkeitssrassismus und Standortnationalismus die v\u00f6lkischen Positionen.<\/p>\n
Die radikale Linke…<\/span> <\/strong><\/p>\nWir als radikale Linke k\u00e4mpfen f\u00fcr eine wirklich bessere Gesellschaft, jenseits von Staat, Nation und Kapital. Wir m\u00fcssen dabei notwendige Abwehrk\u00e4mpfe gegen die grausamen faschistischen oder nationalsozialistischen Tendenzen der modernen Gesellschaft f\u00fchren, weil diese uns auch noch die letzte Chance auf jene bessere Gesellschaft nehmen wollen. Aus unserer humanistischen Tradition heraus, wollen wir eine Verbesserung der Lebenslage aller Menschen, uns eingeschlossen, erreichen. Mittels einer grundlegenden Umw\u00e4lzung der Produktionsverh\u00e4ltnisse wollen wir eine weltweite, solidarische Assoziation aller Menschen schaffen.<\/p>\n
…und ihr Versagen:<\/span> <\/strong><\/p>\nWas aber macht die radikale Linke, sozusagen die letzte Stimme der Vernunft unter den gegebenen Verh\u00e4ltnissen, heutzutage? Wir meinen: Sie versagt. Sie versagt dabei, eine breite soziale Basis f\u00fcr wirklich emanzipatorisch-revolution\u00e4re Ideen zu schaffen. Sie bringt keine positiven Strategien hervor, die an den unmittelbaren Bed\u00fcrfnissen der Menschen ankn\u00fcpft und diese mit der revolution\u00e4ren Notwendigkeit vermittelt. Letzteres w\u00e4re eine wirklich nachhaltige antifaschistische Strategie, die uns vielleicht irgendwann einmal von der notwendigen Sisyphos-Arbeit des Antifaschismus zu befreien vermag. Die gegenw\u00e4rtige radikale Linke aber verbleibt in blo\u00df abstrakt-negativen, antikapitalistischen Phrasen. Ihr Versagen l\u00e4sst sich am gegenw\u00e4rtigen Erstarken v\u00f6lkischer Bewegungen deutlich feststellen.<\/p>\n
Was tun?<\/span><\/strong><\/p>\nWir denken dass es gewisse theoretische Str\u00f6mungen und Abgrenzungsprozesse innerhalb der radikalen Linken gab, die ihre absolute Berechtigung hatten. Die Zert\u00fcmmerung jedes naiven Fortschrittsoptimismus nach Auschwitz, die Kritik des weltweit virulenten linken Antisemitismus und die Abgrenzung von der alten Arbeiterbewegung und ihrer reformistischen und staatsozialistischen Irrwege ist richtig. Doch solche Abgrenzung darf nicht in Selbstmarginalisierung und Selbstgen\u00fcgsamkeit \u00fcbergehen. Denn ein nachhaltiger, nicht als Schall verhallender Antifaschismus muss, ganz pragmatisch gesehen, notwendig auf die \u00dcberwindung der kapitalistischen Produktionsweise zielen. Daf\u00fcr m\u00fcssen wir gr\u00f6\u00dfer werden. Daf\u00fcr m\u00fcsste ein Lernen aus der Vergangenheit nicht in eine grunds\u00e4tzliche Ablehnung jeglicher Massenbewegung hinauslaufen. Vielmehr stellt sich die Frage, wie \u00fcberhaupt eine wirklich emanzipatorische soziale Bewegung mit breiter Massenbasis auszusehen h\u00e4tte, in der das kommunistische Prinzip, dass die Freiheit des Einzelnen die Bedingung der Freiheit aller sein soll, in der Organisation schon vorherrscht. Und wie diese sich \u00fcberhaupt konkret hin zu einer \u00dcberwindung des Kapitalverh\u00e4ltnisses bewegen kann. Denn sowohl ein demokratischer Zentralismus \u00e1 la bolschewistische Partei auf der Organisationsebene als auch ein nationaler Staatssozalismus auf der Ebene der konkreten Utopie m\u00fcssen verworfen werden. Hierf\u00fcr m\u00fcssen wir einerseits wieder in soziale K\u00e4mpfe intervenieren und neue, wirklich demokratische Organisationen aufbauen, oder an bestehende, wie z.B. Basisgewerkschaften, ankn\u00fcpfen. Wir sollten diese au\u00dferdem mit den notwendigen Antifa-Abwehrk\u00e4mpfen vermitteln, sodass zusammenh\u00e4ngende K\u00e4mpfe nicht isoliert nebeneinander stehen. Weiterhin m\u00fcssen wir \u00fcber konkrete politische Ziele, wie eine bed\u00fcrfnisorientierte Produktionsweise und ihre, wahrscheinlich notwendige, revolution\u00e4re Durchsetzung reden. Was f\u00fcr eine nichtkapitalistische Produktionsweise wollen wir \u00fcberhaupt konkret, wenn wir die Verstaatlichung der Produktionsmittel ablehnen? Was genau hie\u00dfe eigentlich Vergesellschaftung der Produktionsmittel? Diese Fragen hatte sich \u00fcbrigens eine der progressivsten linksradikalen Str\u00f6mungen, die der R\u00e4tekommunist*innen, bereits Anfang des 20.Jhds gestellt. Ihr Diskurs zu diesem Thema ist heute jedoch fast vergessen.<\/p>\n
Was nun?<\/span> <\/strong><\/p>\nDas alles soll uns nicht entmutigen, heute hier zu stehen. Wir stehen hier genau richtig. Doch hoffen wir, dass die von uns angerissenen Thesen, die ein oder andere Antifaschistin auch zu neuen Formen der Praxis anregen wird. Um der v\u00f6lkischen Bewegung und dem Elend des Kapitalismus irgendwann einmal im gro\u00dfen Ma\u00dfstab etwas entgegensetzen zu k\u00f6nnen. Um aus der rein defensiven Position herauszukommen. Damit irgendwann jedem Keim v\u00f6lkischen Denkens der Boden entzogen ist.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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